tag:blogger.com,1999:blog-87557616342032241242024-02-07T17:51:43.744+01:00miss digressMiss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comBlogger242125tag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-26597018522125857612023-05-04T12:00:00.021+02:002023-05-04T12:06:37.729+02:00Unangepasst leben; Ästhetik der Existenz I<blockquote style="border: none; margin: 0px 0px 0px 40px; padding: 0px;"><div style="text-align: justify; text-indent: 25px;"><span style="font-family: Georgia, Times New Roman, Times, serif;"><blockquote><i></i></blockquote></span></div></blockquote><blockquote><blockquote style="border: none; margin: 0px 0px 0px 40px; padding: 0px;"><div style="text-align: justify; text-indent: 25px;"><span style="font-family: inherit;"><blockquote><i>Man nennt Den einen Freigeist, welcher anders denkt, als man von ihm auf Grund seiner Herkunft, Umgebung, seines Standes und Amtes oder auf Grund der herrschenden Zeitansichten erwartet.</i><span style="text-align: left;"> </span><span style="text-align: left;"> </span></blockquote></span></div></blockquote><blockquote style="border: none; margin: 0px 0px 0px 40px; padding: 0px;"><div style="text-align: justify; text-indent: 25px;"><span style="font-family: inherit;"><blockquote>F. Nietzsche: <span style="background-color: white; text-align: center; text-indent: 0px;">MA §225, 1878</span></blockquote></span></div></blockquote></blockquote><p><span style="font-family: inherit;"><br /></span></p><p style="text-align: justify;"><span style="font-family: inherit;">Leichte Irritationen, die sich noch heute beizeiten offenbaren. Obwohl das hier, mein Leben und Alltag, die Überzeugungen schon lange Teil eines Erwachsenenlebens sind, mit seinen Abständen zum Herkömmlichen.</span></p><p style="text-align: justify;"><span style="font-family: inherit;">Spürbar, mitunter, als kleine Nachbeben von Mustern und Logiken, einer Art Prägung, die ich hinter mir gelassen glaubte, die mir aber immer wieder unerwartet vor die Füße fallen.</span></p><p style="text-align: justify; text-indent: 0px;"><span style="font-family: inherit;"><span style="text-align: left; text-indent: 25px;"><span>Da kracht dann die Absolutheit der Struktur (Tagesplan, frühes Aufstehen, Orientierung an Mahlzeiten, Wert- und Überschätzung von Erwerbsarbeit, feste Fernsehzeiten, Aufräumen, Mine machen, unauffällig und bescheiden durchs Leben gehen) gegen das innere Bedürfnis (lange im Bett liegen, auf der Bettdecke Wochenendzeitung und Romane und Frühstück, fabulieren, Sensualismus, Genuss, Treibenlassen, lange schon kein Fernseher mehr, niemals nach der Uhr sehen müssen)</span></span><span style="text-align: left; text-indent: 25px;">. Lange Zeit war das unter den Schichten von Idealvorstellungen von mir, Ehrgeiz und Leistungsdruck gar nicht greifbar.</span></span></p><p style="text-align: justify; text-indent: 0px;"><span style="font-family: inherit;"><span style="text-align: left; text-indent: 25px;">Vielleicht darf mir deshalb heute nur selten jemand hineinreden. Mein Reich, meine Regeln; manchmal ertrage ich nicht mal die Kleidung des Liebsten auf meiner Stuhllehne. Sage natürlich nichts, weil das wiederum wirklich affig wäre. Vielleicht</span><span style="text-align: left; text-indent: 25px;"> bin ich deshalb so resolut was meinen eigenen (Frei-)Raum betrifft, bin in vielerlei Hinsicht und auf meine Art – bei aller vermeintlichen Extraversion nicht immer gleich offen heraus und mit Aushängeschild "Do not disturb!" – energisch,</span><span style="text-align: left; text-indent: 25px;"> bestimmt, verbohrt.</span></span></p><p style="text-align: justify; text-indent: 0px;"><span style="font-family: inherit; text-align: left; text-indent: 25px;">Vielleicht habe ich mich deshalb im Philosophiestudium besonders zu Denkern hingezogen gefühlt, deren Existenz, die eigene Familie, Klasse, Herkunft zumindest durchkreuzte, um ihre eingefleischten Abläufe in sich selbst langsam zu zersetzen. Ein Zustand, für den die die Römer einen treffenden, wenn auch gewaltsamen Ausdruck gebrauchten, den sie schon den Griechen ablauschten: lacerare (zu λακίς, der Fetzen; λακίζω, zerreißen). Nietzsche, Cioran, Bataille, auch Foucault und Bourdieu.</span></p><blockquote style="border: none; margin: 0px 0px 0px 40px; padding: 0px;"><div style="text-align: justify; text-indent: 25px;"><span style="font-family: Georgia, Times New Roman, Times, serif;"><blockquote><span style="background-color: white; font-family: georgia, serif; font-size: 16px; text-align: center; text-indent: 0px;"></span></blockquote></span></div></blockquote>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-90199465648712749232023-05-01T10:47:00.005+02:002023-05-04T12:07:28.647+02:00Bücher, jederzeit<p style="text-align: justify;">Eine der entscheidenden Stellen, an denen mir immer wieder bewusst wird, dass ich es in einem – wenngleich relativ überschaubaren, für mich umso gewichtigeren – Rahmen "geschafft" habe und nichts befürchten muss, keinen Absturz, kein Prekariat, keine Geldsorgen:</p><p style="text-align: justify;">Ich kann mir jederzeit Bücher kaufen, neuerschienene, Hardcover, Schmuckausgaben, Wälzer, Kataloge, bibliophile Berzbachs und Schalanskys. Wann immer mir danach ist. Das vormals strenge Bilanzieren ist einem Genuss des inspirierten Lebens gewichen. Frei von Angst.</p>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-31761527552336725072023-04-05T20:46:00.001+02:002023-04-05T20:46:16.051+02:00Ciel<div style="text-align: justify;">Während wir am Strand entlang spazieren, breiten wir unser Leben voreinander aus. </div><div><div style="text-align: justify;">Eine kräftige Frühlingssonne wärmt mein Gesicht. Meine Sonnenbrille habe ich letzte Woche in Berlin liegen lassen. Das Licht ist so gleißend, dass ich, während wir sprechen, andauernd blinzeln muss. Als läge dieser lange Winter gerade weit hinter uns.</div><div style="text-align: justify;">Über uns wölbt sich ein unendlicher Himmel: blau und unfassbar hoch.</div><div style="text-align: justify;">Wie leicht sich das Leben manchmal anfühlt, wie groß und erhebend.</div></div>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-77037736519837216662023-04-04T22:33:00.004+02:002023-04-04T22:34:20.797+02:00Anfänge<div style="text-align: justify;">Als hätten wir am Anfang gemeinsam in einer Monade gewohnt und nichts gebraucht außer uns selbst…</div><blockquote><div style="text-align: justify;"><i>In jenem ersten Jahr hatte ich nicht das Bedürfnis, jemandem von uns zu erzählen. Ich schrieb nichts auf. Ich war vorsichtig. Noch ist es nicht dran, das Erzählen, sagte ich mir. Das Erzählen war in meinen Augen etwas, das erst am Schluss kommt.</i></div></blockquote>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-23055414634422158372023-04-03T19:05:00.001+02:002023-04-05T20:48:26.807+02:00Horten<div style="text-align: justify;">Vor einiger Zeit habe ich im Deutschlandfunk einen Beitrag über das Aufräumen gehört, in dem auch Marie Kondo eine prominente Rolle spielte.</div><div style="text-align: justify;">Ich erinnere mich nur noch dunkel, dass neben den geläufigen Strategien auch ein Psychotherapeut zu Wort kam, der darin kurz auf die Gründe für das übermäßige Ansammeln von Dingen zu sprechen kam. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir seine Einschätzung, dass eine lieblose Kindheit oft mit dem späteren Anhäufen und Festhalten von unnötigem Besitz einhergeht — im Gegensatz zur Ansammlung von Statussymbolen der sozialen Aufwertung. Horten als eine Art emotionaler Hyperkompensation der Zukurzgekommenen. </div><div style="text-align: justify;">Als das Kind einer exzessiv hortenden Mutter mit einem Kleiderschrank, von dem mein Vater meint, dass er wegen seiner stattlichen Größe und seines immensen Gewichts jederzeit durch die Decke in die darunterliegende Wohnung zu stürzen droht, wurde ich sofort hellhörig.</div><div style="text-align: justify;">Wie sie leide ich an einer manischen Obsession des Anhäufens, einer übertriebenen Akkumulation jenseits produktiver Sammelleidenschaft. Wie sie kapriziere ich mich seit Jahren auf den Konsum von Kleidung und Kosmetik. Dabei geht es nie um Hochpreisiges oder gar Exquisites aus Designerhand. Es ist die schiere Masse, die zählt. Auf fünf parallelen Webseiten überquellende Warenkörbe, digitalisierte Listen mit angestrebten Konsumwünschen, wiederkehrende Verzweiflung beim Umstellen der Garderobe von Sommer auf Winter, von Winter auf Sommer, zwischenzeitlich: Befreiungsschläge und spontanes Loslassen von einer Kofferraumladung Kleidung, dann erneute Jagd und spätere Anbetung der Beute.</div><div style="text-align: justify;">Es ist absurd. Ein großer Teil meines Lebens besteht aus einer absoluten Verausgabung im/an den Konsum, einer Dauerbeschäftigung mit der Beschaffung von Dingen, an denen man sich kurz festhalten kann, die man dann festhält und verteidigt.</div><div style="text-align: justify;">Dabei kann niemand all das jemals anziehen. Auch in zehn Leben nicht…</div>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comSylt, Deutschland54.908279099999987 8.317985426.598045263821142 -26.838264600000002 83.218512936178826 43.4742354tag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-7693750478623503412023-03-31T19:08:00.104+02:002023-04-05T19:44:25.995+02:00Dinner für eine<div style="text-align: justify;">Festtagsstimmung. Ferienvorfreude. Lange Wochen, hohe Stapel, Prüfungsvorbereitungen und erste Abschiede (Adieu, geliebte 13.3!). Heute gönne ich mir etwas. Als ich zwischen den Kollegen Platz genommen habe, ordere ich den ersten Apérol Spritz, dem bald weitere folgen werden. Eine Caprese zu Beginn: San Marzano, Mozzarella di Bufala, Olivenöl, Basilikum. Primo piatto: Penne all’Arrabiata. Secondo: Salmone alla griglia. Espresso und Tiramisu. Ich proste nach links und rechts und gegenüber. Gebe Anekdoten mit ausladenden Gesten zum Besten, sodass die Gläser zu vibrieren beginnen. Beim Lachen liegt mein Kopf wahlweise auf der Tischplatte oder an der Schulter meines Nachbarn.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">60€ in für ein Dinner for one auszugeben, hätte in meiner Herkunftsfamilie wohl nur ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst. Heute gönne ich mir etwas. Heute lasse ich es krachen. Heute fühle ich mich wie Kroísos aus Lydien.</div>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-90011693151678787942023-03-29T12:23:00.017+02:002023-03-29T12:35:24.076+02:00A tunnel under Ocean Blvd<p style="text-align: justify;"></p><div style="text-align: justify;">Welche Magazine, Feuilletons und Podcast ich in den Tagen nach der Veröffentlichung auch konsultiere, die Musikkritik deliriert sich mal wieder in Rage, salbadert selbstverliebt vor sich hin, radebrecht mit platten Deutungsansätzen (ein Eifersuchtsdrama, c'mon!) und verwechselt amateurhaft Urheberin und Kunstfigur, kunstschaffende Instanz und künstlerischen Entwurf, sodass mir nach fünf Rezensionen der Kopf raucht.</div><p></p><p style="text-align: justify;">Offenbar verspürt niemand einen Hauch der Selbstreferentialität, die in den Texten angelegt ist. Niemand bemerkt den feinen Humor, die Kunst der Pose, das Spiel mit Bedeutung, die Taschenspielertricks mitgelieferter Lesarten.</p><p style="text-align: justify;">Nur der F. hat mal wieder ein Ohr für das, für Lana, für mich.</p><p style="text-align: justify;">Eilig schreibe ich ihm mit ungeduldigen Fingern von dem Eindruck, der sich mir schon seit Freitag aufdrängt und erst allmählich verbalisieren lässt... </p><div class="separator" style="clear: both; text-align: justify;">Der achte Track des furiosen Albums (zahlenmystisch genau die Mitte markierend) heißt "Kintsugi" (japanisch: 金継ぎ), was, wie eine schnelle Recherche ergibt, mit „Goldflicken“ übersetzt werden kann.</div><p style="text-align: justify;">Etwas Zerbrochenes wieder zu kitten, ohne dabei den Bruch zu verschleiern, ihn im Gegenteil bewusst sichtbar zu machen und — golden! — zu affirmieren. Wow! Von dort aus ist der Schritt zu Wabi Sabi (侘寂) schnell getan: als ästhetisches Prinzip mit dem Schlüsselgedanken, Schönheit in jedem Aspekt der Unvollkommenheit zu finden. Lana ist sehr klug, vermag der auf den ersten Blick beiläufige Titel doch veritable Ansätze zur Interpretation ihres aphoristischen Ansatzes liefern. Die kompositorischen Kunstgriffe und die gloriose Stimme sind der Urushi-Lack, der die verstreuten Fragmente zusammenbindet. Wow!</p><p style="text-align: justify;"></p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhzvfSeqwg3PLeiIa1w1srdxA1SS9oZeGWs-uSUJnsRLHFQz6vezYKKvtxg1DyUohWBYWdT4JpMz01QEKLCKcRHb8nv7q3i6Y5Qi_1FX5Uu8x5601dsAxW6EZASqF-CxEbJEmC_Vl3Q0YBUR-SIfFkubnwliL35w_PevGsfe7h0kjSFP6ywJKukuum4/s624/F5E5E674-B7AB-4467-B07A-28E2C033BCD0.jpeg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="197" data-original-width="624" height="101" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhzvfSeqwg3PLeiIa1w1srdxA1SS9oZeGWs-uSUJnsRLHFQz6vezYKKvtxg1DyUohWBYWdT4JpMz01QEKLCKcRHb8nv7q3i6Y5Qi_1FX5Uu8x5601dsAxW6EZASqF-CxEbJEmC_Vl3Q0YBUR-SIfFkubnwliL35w_PevGsfe7h0kjSFP6ywJKukuum4/w392-h101/F5E5E674-B7AB-4467-B07A-28E2C033BCD0.jpeg" width="392" /></a></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div>Auf meiner Stirn klebt groß und gut lesbar "Viva la gaya scienza!" und "Nieder mit der Anbetung des Positivismus!"<p></p><p style="text-align: justify;"></p><blockquote><i>Dem Dichter und Weisen sind alle Dinge befreundet und geweiht, alle Erlebnisse nützlich, alle Tage heilig, alle Menschen göttlich.</i></blockquote><p></p>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-70123560617648897162023-03-27T21:00:00.032+02:002023-03-29T14:36:00.524+02:00janusköpfig – Manie, vol. I<p style="text-align: justify;"> "Immer, wenn ich auf den Fotos nicht mehr den Unterschied zwischen deinen Schüler*innen und dir als ihrer Lehrerin erkennen kann, weiß ich, was los ist, wollte als deine Freundin aber nicht sofort den mahnenden Zeigefinger erheben", schreibt mir die V. mit ein wenig Verzögerung von der Insel, nachdem sie offensichtlich meine Gruppenbilder der Mottowoche gesichtet hat. </p><p style="text-align: justify;">Ich: täglich kostümiert, wahlweise in Mermaidpose, Huckepack, von meinem Leistungskurs auf Händen getragen, Standwaage, Vrksasana, Plank, springend, liegend, posend, Zunge raus, Sonnenbrille, Victory-Zeichen, breite Schultern. My gosh!</p><p style="text-align: justify;">Wenn alle Grenzen verschwimmen und der manische Teufel mich reitet, dann hat der eine Kopf des Ianus die Überhand gewonnen und flieht ungestüm voraus, die Existenz des zweiten annullierend.</p><p style="text-align: justify;">Exzessive Ausgelassenheit und intensive Emotionen erscheinen bei mir stets als trügerisches Vexierbild, tragen sie doch schon immer einen pathologischen Keim in sich. Echte, unzweifelhafte, gesunde Freude: ein unsicheres, ungesichertes Terrain. </p><p style="text-align: justify;">Beim allmählichen Runterkommen in den letzten Tagen mehrmals darüber geweint. </p><p style="text-align: justify;">Meine unbändige, gefährliche, illusorische, vergiftete Freude.</p>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comBerlin, Deutschland52.520006599999988 13.40495424.209772763821142 -21.751296 80.830240436178826 48.561204000000004tag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-49098495857942450362023-03-19T11:00:00.000+01:002023-03-29T11:26:46.595+02:00δαίμων<div style="text-align: justify;">Schon seit Wochen fliegen die Sprachnachrichten zwischen V. und mir zwischen Sylt und Berlin wild hin und her. Wir sind im Flow, blicken uns gegenseitig in die Seelen. Finden viele Gemeinsamkeiten. Im Mittelpunkt unserer Mixtur aus Text- und Sprachnachrichten steht zuletzt die Beschäftigung mit dem inneren Kritiker, wie es in der marketingaffinen Awareness-und Selfcare-Psychologie heute so heißt.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Ich funke also präzisierend auf die Insel:</div><div style="text-align: justify;">Irmela (aus einer traumatischen Erfahrung Anfang 20 an der Uni hervorgegangen), hart und wenig herzlich, leistungsorientiert, traditionalistisch, erfolgshungrig, ehrgeizig, belastbar, perfektionistisch, immer fordernd, ganz und gar ungnädig, die mir in variierender Stärke und Frequenz mit folgenden Tiraden ihre vergifteten Stachel ins Fleisch bohrt:</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">"Mit fünf Prädikatsexamina hätte wirklich mehr aus dir werden können und sollen!"</div><div style="text-align: justify;">"Du wirst es nie schaffen, dir eine bürgerliche Existenz aufzubauen!"</div><div style="text-align: justify;">"Du hattest einfach nicht den Mut und das Format für eine wissenschaftliche Karriere!"</div><div style="text-align: justify;">"Dein Lebensstil ist nicht wild, sondern einfach nur altersunangemessen und peinlich!"</div><div style="text-align: justify;">"Gib nicht dauernd Geld aus!"</div><div style="text-align: justify;">"Spare 1500€ im Monat!"</div><div style="text-align: justify;">"Deine Leidenschaften werden sich nie befriedigen lassen und du wirst immer weitersuchen, jedoch nichts finden!"</div><div style="text-align: justify;">"Du bist eine selbstverliebte Narzisstin!"</div><div style="text-align: justify;">"Dein Unterricht könnte noch viel innovativer sein!"</div><div style="text-align: justify;">"Du musst die Arschbacken zusammenkneifen und durchhalten!"</div><div style="text-align: justify;">"Langsam sind alle Züge in deinem Leben abgefahren!"</div><div style="text-align: justify;">"Du solltest den nächsten Karriereschritt erwägen! Einfach nur Lehrerin sein, kann jede Loserin!"</div><div style="text-align: justify;">To be continued...</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Mein Daimon rät niemals ab, sondern immer nur zu. Es ist kein Sokratischer Daimon der <i>Apologie</i>, des <i>Phaidros</i> oder <i>Euthydemos</i>. Vielmehr scheint sein Wesen dem letzten Höllenkreis aus Dantes Inferno zu entstammen.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-9613412196916731032023-03-12T17:12:00.003+01:002023-03-12T17:16:08.489+01:00Die Leere fetischisieren<div style="text-align: justify;">Pläne, die <i>per se</i> zum Scheitern verurteilt sind: den Schreibtisch vollständig leeren, i. e. ihn im umfassenden Sinne vom Ballast der Arbeit befreien. Und damit meine ich nicht etwa, ein wenig Ordnung schaffen, den ein oder anderen Zettel oder Stift in wohlsortierten Schubladen wie von Zauberhand verschwinden lassen, sondern die Herstellung einer Leere im absoluteren Sinne. Das resultative Bewältigthaben von Korrekturbedürftigem, materialisierten Ansprüchen, papiernen Massen. Kurz: Abstinenz, Negation, Freiheit.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">In meinem Alltag tobt ein steter Kampf, der nicht zu gewinnen ist. Es grenzt an Donquichotterie, die Stapel bezwingen zu wollen, statt ihrer Präsenz mit radikaler Akzeptanz zu begegnen und sich gelassen und gelöst wie ein Zenmönch den diktierten Arbeitsrhythmen hinzugeben. </div><div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Wäre da nicht mein obsessives Verhältnis zur Ordnung, dem austarierten Verhältnis der Teile zu einem Ganzen. Ich brauche die freie Fläche, das tadellose Weiß, die geräumte Ebene. Klarheit. Obsiegen der Kontrolle über das Chaos.</div></div>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-76195814271717234232023-03-11T22:33:00.008+01:002023-03-12T17:21:23.740+01:00Unser Decamerone<div style="text-align: left;"><span><span style="color: #252525; font-family: times;"><blockquote style="text-align: justify;"><blockquote style="font-variant-ligatures: no-common-ligatures;"><i><blockquote></blockquote></i></blockquote></blockquote></span></span></div><div style="text-align: left;"><span><span style="color: #252525; font-family: times;"><blockquote></blockquote></span></span></div><blockquote style="border: none; margin: 0px 0px 0px 40px; padding: 0px; text-align: left;"><div style="text-align: left;"><span><span style="color: #252525; font-family: times;"><i></i></span></span></div></blockquote><blockquote style="border: none; margin: 0px 0px 0px 40px; padding: 0px; text-align: left;"></blockquote><span style="color: #252525; font-family: times;"><i></i></span><blockquote><div style="text-align: justify;"><span><span style="color: #252525; font-family: times;"><i>Man muß im Zustand der HYSTERIE sein, um Texte schreiben zu können, die das wirklich sagen, was einem vorschwebt. Völlig überwertig besessen von Ideen, Worten, Konzepten, Details des Sprachlichen, den Feinstabwägungen von Ober- und Untertönen des Geschriebenen, nein, es klingt noch nicht genau so, wie es klingen sollte, irgendetwas fehlt noch, was ist falsch, wo wird zu dick aufgetragen, zu penetrant insistiert, zu lange abgeschweift, wo wird zu poetisch verkürzt gesprochen, wo zu commonsensehaft alltäglich. </i></span></span></div></blockquote><div style="text-align: left;"><span><span style="color: #252525; font-family: times;"><i></i></span></span></div><blockquote style="border: none; margin: 0px 0px 0px 40px; padding: 0px; text-align: left;"><div style="text-align: left;"><span><span style="color: #252525; font-family: times;"><blockquote><i></i></blockquote></span></span></div></blockquote><div style="text-align: left;"><span><span style="color: #252525; font-family: times;"><i><div style="text-align: justify;"></div></i></span></span></div><div style="text-align: left;"><span><span style="color: #252525; font-family: times;"><blockquote style="text-align: justify;"><i></i></blockquote><p></p><p>Im Traum hörst Du nie wieder auf, mir vorzulesen.</p></span></span><p><span style="color: #252525; font-family: times;">Das Knistern der Zeitung, forever. <i>Dust swirls in strange light</i>.</span></p></div>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-18657464826206821952023-03-10T09:28:00.008+01:002023-03-11T20:20:04.449+01:00Entfachung, sag für Amore...<div style="text-align: justify;">Wenn ich von heute aus den Weg rückwärts abschreite, um an den Punkt zu gelangen, an dem ich Hals über Kopf in die Liebe zur Dir fiel, um eine so treffende englische Phrase unbeholfen und pathetisch ins Deutsche zu bringen, das die Wendung nicht kennt, denke ich immer zuerst an Deine Art zu schreiben. </div><div style="text-align: justify;">Gedanken, nah an der Wahrnehmung formuliert, sinnlich und überaus fein. Wie Du in den ausufernden Texten, die zwischen uns im Minutentakt hin- und herflogen, auf Rothko und Benjamin, auf Farbe und Rhythmus zu sprechen kamst. Eine Sprache der Intensität und Zartheit. Speaking into the blackbox.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Wie mein Begehren damals zuerst durch das Schreiben entfacht wurde, wie schnell ich Feuer fing und dann heftig brannte.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">Weil wir wussten, dass sich diese Gefühle des Belebtwerdens und Lebendigfühlens mit Worten nicht festhalten lassen, verknüpften wir unsere Nachrichten später selbstironisch mit Hashtags, die beim Aussprechen und Schreiben verborgene Regionen in meinem Hirn noch heute zum Flackern bringen.</div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;"><br /></div><div style="text-align: justify;">#endlesssummer</div><div style="text-align: justify;">#fromthetreshold</div><div style="text-align: justify;">#niejemalszuvor</div><div style="text-align: justify;">#sensualismus</div><div style="text-align: justify;"><br /></div>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-35188793500458603592023-03-09T09:25:00.007+01:002023-03-09T12:08:55.331+01:00Epistulae ex Ponto: Geistige Heimat<p style="text-align: justify;">Was ich insgeheim betrauere, ist nicht die Entscheidung selbst. Den Weg in eine andere Richtung eingeschlagen zu sein damals. In eine weniger akademische, lebensweltlichere, pragmatische. </p><p style="text-align: justify;">Es geht mir alles recht leicht von der Hand. Ich habe Zauberkräfte, wird gesagt. Man hängt an mir und braucht mich. Ich kann begeistern. Ich bin überzeugt: Niemand merkt etwas. Ich habe eine zweite Familie gefunden. Einen Beruf, eine neue Berufung.</p><p style="text-align: justify;">Nur manchmal, im Schein der Schreibtischlampe am Abend, über die Abikorrekturen gebeugt, beim Aufschlagen der <i>Essais</i>, wenn der SWR Reiner Niehoffs Versuche über den Schatten ausstrahlt, Melanie Möller in der NZZ wortreich über die <i>Metamorphosen</i> und die Heroen der <i>Aeneis</i> fabuliert, mir eine vor Jahren verfasste Notiz zu Batailles Begriff des Verfemten in die Hände fällt oder zu Nietzsches Fatalismen, dann sticht es kurz. Dann wiegt der Verlust der alten Heimat kurz schwer, dann erheben sich Tristia in mir.</p><p style="text-align: justify;">Noch lange nach der Zweiten Staatsprüfung, längst im Beruf angekommen, täglich im Klassenzimmer, mit einigen Funktionen betraut, ein stets voller Schreibtisch daheim und fest eingespannt in das schulische Hamsterrad, war mir die Vorstellung ganz und gar unheimlich, nicht gleichzeitig, parallel zur Vollzeitexistenz, an einer Berliner Hochschule immatrikuliert zu sein. Der akademischen Welt von nun an nicht mehr zuzugehören, von meiner alma mater entbunden worden zu sein...</p><p><br /></p><p><i></i></p><blockquote><p><i>hic ego, finitimis quamvis circumsoner armis,</i></p><p><i>tristia, quo possum, carmine fata levo.</i></p><p><i>quod, quamvis nemo est, cuius referatur ad aures,</i></p><p><i>sic tamen absumo decipioque diem.</i></p></blockquote><p><i></i></p>Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-24469985859413595582014-10-03T21:31:00.003+02:002023-03-09T10:49:37.579+01:00Es lag eine seltsame Spannung in der Luft<div style="text-align: justify;">
Den ganzen Tag verfolge ich – nicht ohne innere Bewegung – im Radio und im Öffentlich-Rechtlichen die Berichterstattungen zum Tag der deutschen Einheit, ärgere mich morgens am Küchentisch, während der M. ob der Verbissenheit in meiner Stimme mal wieder die Augen verdreht, kurz über Gysi und seine dummdreisten Faseleien, von Unrechtsstaat könne ja keine Rede sein, und spüre einmal mehr, dass auch ich, so klein ich als im Jahr 83 Geborene auch war, betroffen bin von dem Sog der Ereignisse, der Kraftanstrengung, dem Mut, der Euphorie einer gegen die Verhältnisse aufbegehrenden Generation. Dass sie tief vergraben liegen in der, die ich heute bin. Überwältigend diese Bilder und Stimmen aus dem Herbst 1989 und mitten in dem unaufhörlichen Strom auch meine Eltern und ich auf dem Weg ins Ungewisse. Mitten im Nirgendwo und doch gleichsam Teil einer großen Bewegung. "Ein Moment unverhofften Glücks, der sich nicht abträgt", sagt Ines Geipel in ihrer persönlich Rückschau auf diesen wichtigsten Moment ihres Lebens; sie, die sie wie wir der DDR an der grünen Grenze den Rücken kehrte, nichts ahnend, dass der Staat, in dem sie einst lebte und dem sie sich längst entwachsen fühlte, wenige Monate später für immer Geschichte sein würde.</div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-3590617249315464982014-09-10T23:14:00.002+02:002023-03-09T10:50:32.440+01:00Eierlikör<div style="text-align: justify;">
Auch die Nachricht, dass sie am Vorabend ihres Todes mit meinen Tanten in ihrem alten Haus würfelnd beisammensaß, nachdem jene sie auf ihren Wunsch nach Hause geholt hatten, und sich im Laufe des Spieles auch ein Gläschen Eierlikör munden ließ, lässt mich immer wieder schmunzeln, so traurig ich bin. Überhaupt strömen die vielen Bilder und lebendigen Erinnerungen, die ich längst vergessen glaubte, nur so aus mir hervor: Die skurrilen Gruselgeschichten, die sie mir vor dem Einschlafen erzählte und die manchmal solch' grobe narrativen Mängel aufwiesen, dass wir beide lachen mussten, ehe sie auserzählt waren. Das schwere Federbett, in das ich dick eingemummelt neben ihr lag, in dem wir morgens NDR1 hörten und auch der Nachttopf neben dem Bett, damit mir in der Nacht die dunkle Treppe erspart blieb. Unzählige Nachmittage mit meinen Eltern, Onkeln, Tanten, Cousins und Cousinen in ihrem Garten unter einem endlosen Sommerhimmel, das Kohleschippen und ihre stets im ostfälischen Börde-Platt verpackten Erzählungen von der näherrückenden Ostfront, dem Ende des Krieges und dem Wiedersehen mit meinem Opa, der Anfang der 60er-Jahre starb als mein Vater noch ein Kleinkind war. Diese auf den ersten Blick immer etwas konfus wirkenden, verschachtelten Ausfächerungen und Verzweigungen erzählten Lebens, deren Zusammenführung ihr trotz des 90. Lebensjahres bis zum Ende routiniert gelang – vielleicht auch das von ihr geerbt. In den letzten Jahren waren sie immer häufiger mit dem Aufruf gespickt, der liebe Gott möge das Nachsehen haben und sie nach einem derart langem und randvollen Leben endlich zu sich holen, denn genug sei nun einmal genug. </div>
<div style="text-align: justify;">
Vor allem aber ihr aufbrausender Charakter, der cholerische Grundzug, den selbst das Alter nicht abzumildern im Stande war, der sie das Besteck oder Geschirr auf den fast gedeckten Abendbrottisch schmettern ließ, wenn ihr irgendetwas nicht passte, ist es, der sich zweifelsohne sowohl bei meinem Vater als auch bei mir wiedererkennen lässt, der selbst im ungestümen Wesen der kleinen L. durchzuscheinen beginnt und auf eine seltsame Weise und über den Tod hinaus ein unauflösliches Band zwischen uns knüpft.</div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-59777488572053521552014-09-09T16:20:00.001+02:002014-09-09T16:20:30.636+02:00Oma<div style="text-align: justify;">
Vier Schnaps, ein Bier und eine durchwachte Nacht später den ganzen Tag über, auf dem Weg in die Schule und auf dem Heimweg, zwischen den Unterrichtsstunden und der heimischen Vokabelplackerei mal still, mal lauter, mal verzweifelt geweint. Vor allem schmerzt mich, dass ich sie vor fast anderthalb
Jahren mit der fast noch frischgeborenen L., ihrer Urenkelin, im Schlepptau das letzte Mal sah und seitdem die Chance nicht mehr ergriffen hab, sie, bevor
sie am Samstag gestorben ist, nochmal zu besuchen. Das einzige, was mich ein bisschen tröstet: die
Tatsache, dass sie nicht auf harten Liegen und in sterilen Zimmern monate-
vielleicht sogar jahrelang herumvegetieren musste, dass ihr zumindest
diese letzte Würde geblieben ist, dass zwei ihrer Kinder (mein Onkel und meine Tante) sie in den
letzten Stunden begleitet haben und sie nicht alleine gewesen ist. Seit langem auch wieder diesen Schmerz gespürt, der alles zusammenschnürt, diese Enge in der Brust, die mich kaum atmen lässt. Und immer wieder auf dieses Foto geschaut: Sie, lächelnd und den Arm um mich gelegt, ich, fast vierjährig auf einem Geschenkband herumknabbernd neben ihr auf dem Sofa sitzend. Genau beäugt von der Katze, die auf einem Kissen unter dem lamettageschmückten Baum sich platziert hat. Wann immer gerade mein Blick darauf fällt, trotz der unzähligen Stiche im Herzen auch eine unbeschreibliche Wärme bei dem Gedanken verspürt, wie lieb sie mich einmal gehabt hat und wie lieb sie mir war und ist.<br />
</div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-2799966253301548552014-09-04T21:51:00.002+02:002014-09-04T21:59:50.347+02:00Sentimentalitäten<div style="text-align: justify;">
"Weil ich schon keinen Papa mehr habe", flüstert die 8-jährige A., während ich mit den Korrekturen ihrer Deutschaufgaben beschäftigt bin, halb zu mir, halb zu ihrem Tischnachbarn, dem O., "werde ich ganz allein sein, wenn die Mama mal stirbt. Nur die Zwillinge werden dann noch bei mir sein." Es trifft mich mitten ins Herz. Vier Tage erst her, seit ich das erste Mal ihre Klasse betrat. Vier Tage und schon fängt man an, die so gern zu haben, dass man sich jetzt schon wappnet für den Moment, wenn man sie in naher Zukunft schon wieder verlässt. Welche Stille dann einkehren, wenn der Winter ganz den Büchern vorbehalten sein wird, verglichen mit dem quirligen Kichern, Murmeln, Flüstern, Necken, dem permanenten Bewegtsein von 29 Grundschülern. Bereits die K. und die J. hatten mir in einem gruppentherapeutischen Seminar für angehende Lehrer in weiser Voraussicht prophezeit, dass ich bei jedem Abijahrgang, jeder Klasse, die ich verabschieden muss, weinen würde und ich glaube immer mehr, sie könnten rechtgehabt haben. </div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-38765565976940582052014-09-03T23:37:00.000+02:002014-09-04T21:11:33.613+02:00Amor fati<div style="text-align: justify;">
Viel zu viel Lebenszeit verschwendet an vergebliche Wünsche, irgendwie anders zu sein. Ausgeglichen (statt andauernd aufbrausend), zierlich (statt athletisch), ein wenig kleiner (statt in selten getragenen Heels fast 1,90m groß), durchorganisiert (statt chaotisch und impulsiv), mit geschmeidig glattem Haar (statt mit wilder, widerspenstiger Mähne), auch karriereorientierter (statt verliebt und versunken in unzählige Wissensgebiete, die immer nur weiter ausufern). Und doch an dieser Stelle meines Lebens auf eine seltsam ungewohnte Weise ins Reine gekommen, sehr zufrieden mit allem, den früheren Weichenstellung und Entscheidungen, die mich an diesen Punkt führten. Längst verlassen die Sphären des rein Hypothetischen des "Was wäre wenn?". Den theoretischen Erwägungen eine Haltung an die Seite gestellt, die ganz im Handeln verwurzelt ist und das Gegebene nicht nur annimmt, sondern tatkräftig gestalten will. Auf dem Weg jedenfalls.</div>
<div style="text-align: justify;">
<br /></div>
<div style="text-align: justify;">
<i>Meine Formel für die Grösse am Menschen ist <span class="bold">amor <i>fati</i></span>:
dass man Nichts anders haben will, vorwärts nicht, rückwärts nicht, in
alle Ewigkeit nicht. Das Nothwendige nicht bloss ertragen, noch weniger
verhehlen — aller Idealismus ist Verlogenheit vor dem Nothwendigen —,
sondern es <span class="bold">lieben</span>…</i></div>
<div style="text-align: right;">
<span style="font-size: x-small;">Nietzsche: Ecce Homo – Warum ich so klug bin, § 10</span><i><span style="font-size: x-small;"> </span></i></div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-49170957686576199682014-09-01T15:05:00.000+02:002014-09-01T15:12:03.507+02:00Erster Schultag<div style="text-align: justify;">
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</xml><![endif]-->Mein erster Schultag ist übervoll von Eindrücken. Das
Setting: jahrgangsübergreifendes Lernen von Klasse 1–3. Während sich für mich
als Außenstehende sofort erkennbar ost-westdeutsche Gräben durch das
Lehrerzimmer ziehen, warten auf dem Hof unter einem grauen Herbsthimmel seit
halb acht Erstklässler in gespannter Erwartung auf ihren ersten Schultag, ihre
ungeduldigen Eltern zugleich auf eine möglichst baldige reibungslose und vor
allem glückende Integration in unser Bildungssystem – der Garant für den
späteren beruflichen Erfolg ihrer Schützlinge! Einige von ihnen werden erst in
wenigen Monaten sechs Jahre alt, manche sind von derart zarter Statur, das man
glauben könnte, sie würden unter ihrem tonnenschweren Tornister noch auf der
Stelle zusammenbrechen, wenn der Small-Talk mit ihren engagierten Eltern nur
noch wenige Minuten länger andauerte. Viele der insgesamt 27 Kindergesichter
sind mir als Mutter einer Anderthalbjährigen von den umliegenden Spielplätzen
her bekannt und auch ihre Eltern, so meine ich zu vernehmen, blinzeln mir bei ihrer
Übergabe verschwörerisch zu. </div>
<div class="MsoNormal" style="text-align: justify;">
Im Hintergrund des Unterrichtsgeschehens liegt, trotz der
tatkräftigsten Bemühungen ihrer passionierten Lehrerin, die ich in den kommenden Wochen beobachten und unterstützen darf, eine spürbare
Anspannung in der Luft. Ein diffuser Leistungsdruck, der manche nicht so
robuste (fast) Sechsjährige, die noch keine adäquate Strategie entwickelt
haben, diesen Spannungsgefühlen standzuhalten, am Ende ihres ersten Tages in
sich zusammensinken und verzweifelte Tränen weinen lässt. Der von einer
quasihomogenen gutbürgerlich-akademischen, ortansässigen Arkonaplatz-Klientel
der Ende der 1960er / Anfang der 1970er Geborenen (diesen „Oma-und-Opa-Eltern“,
wie meine Schwiegermutter, als junge Mittfünfziger-Omi, etwas despektierlich zu
sagen pflegt), mit ökologisch-alternativ orientierter Lebensweise, finanziellen
Spielräumen und Montessori-Einschlag, nach Vorbild der eigenen Eltern, denen
man früh in ein aufregendes Nach-Wende-Berlin entfloh, in die bereitwilligen
Kinder frühzeitig eingesät worden ist, um die eigene <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>Furcht vor einem unwiderruflichen Scheitern am
Leben wenigstens ein bisschen zu betäuben. Machen wir uns nichts vor: Dass alle
Formen staatlich institutionalisierter Erziehung und Bildung, um Individuen
gesellschaftsfähig zu machen, <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>zwangsläufig
auch mit Zu-(Ab-)richtung verbunden sind, dazu muss man wahrlich nicht Foucault
gelesen haben, dass Disziplinartechniken jedoch auf noch viel perfidere Art und
Weise – ein angesehener Chirurgenvater züchtigt seine 8-jährige Tochter <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>bei Lernverweigerungshaltung, indem er sie im
Bedarfsfalle kalt abduscht <span style="mso-spacerun: yes;"> </span>– schon in
den Herkunftsfamilien zum Standard erzieherischer Praxis gehören und die Kinder
in der Schule erstmals Freiräume verspüren, die sie von zu Hause nicht kannten,
das macht mir schon irgendwie ein wenig Bauchschmerzen. Gerade, wenn ich mir vorstellen
muss, dass ich diese Kinder-Eltern-Paare in den nächsten Jahren in meinem
unmittelbaren Nahbereich öfter zu sehen bekomme, und, was ebenfalls nicht
auszuschließen ist, in höheren Klassenstufen bald selbst in meinem
Latein-, Deutsch- oder Philosophieunterricht begrüßen dürfte.</div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-65860787642354423332014-08-27T16:36:00.003+02:002014-08-27T16:38:17.987+02:00Tragische Heiterkeit<div style="text-align: justify;">
Nach langer Abstinenz: Neuerliche Lektüre von Nietzsches <i>Unzeitgemäßen Betrachtungen III (Schopenhauer als Erzieher)</i>. Die erste Leseerfahrung inzwischen in unendliche Ferne gerückt, immerhin fast 10 Jahre her, kaum noch erinnerlich daher in ihren Einzelheiten. Trotz vermeintlicher Abgeklärtheit noch immer begeistert von der ihnen zugrundeliegenden Konzeption (dem metaphysischen Überbau), der in Szene gesetzten Dialektik von Heiterkeit und Schwermut. Im Subtext läuft freilich meine ganz eigene, triviale Lesart: die vermessene Applikation der philosophischen Begriffe auf das eigene Leben: Aliis laetus, sibi sapiens. </div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-18436133377038250472014-08-26T16:09:00.000+02:002014-08-26T16:16:16.661+02:00Nach Art der Bärin<div style="text-align: justify;">
<i>Cum Georgica scriberet, traditur cotidie meditatos mane plurimos versus dictare solitus ac per totum diem retractando ad paucissimos redigere, non absurde carmen se ursae more parere dicens et lambendo demum effingere. </i></div>
<div style="text-align: right;">
<span class="f_viridis"><span style="font-size: x-small;">Vitae Vergilianae, 22</span></span></div>
<div style="text-align: justify;">
<br />
<div style="text-align: justify;">
Meine vergilianische Arbeitsweise: Von einem blinden Aktionismus geleitet, produziere ich in immensen Kraftanstrengungen beständig irgendwelchen Output, den ich Tags darauf verwerfe, selten auf wenige Wörter und Gedankensplitter zusammenstreiche. Auf diese Weise landete damals eine 180-seitige Magisterarbeit (inkl. diverser Anhänge) <span class="st">– ein drei Jahre währendes Mammutwerk </span><span class="st">–</span> auf dem Scheiterhaufen der Geschichte und binnen postnataler Mutterschutzzeit musste geschwind eine neue her, was nur in einem Zustand des schreibenden Wahns gelang; letztlich aber zu einem unverhofft glücklichen Ende führte. Lange dreh(t)e ich mich dabei im Kreis um die immer gleichen Argumente, wälz(t)e Buch um Buch, Gedanke um Gedanke, bis ich, des belastenden Gros materialisierten Nachdenkens in einer kamikazeartigen Übersprungshandlung mich entledigend, mit einem äußerst eingedampften <span class="st"> </span>Kleinklein<span class="st"> zu </span>leben lerne.</div>
</div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-84817513949548725582014-08-23T18:56:00.002+02:002014-08-23T19:08:04.236+02:00Auf der Kippe<div style="text-align: justify;">
Dieser Tage, während ein kurzer, zuletzt immer kühlerer Sommer sogleich fast unmerklich in den Herbst hinübergleitet und mir morgens, wenn ich kurz nach sieben das Haus verlasse, auf dem Weg zur Kita, auf dem Rad von Mitte nach Schöneberg oder nach Dahlem ein frischer Gegenwind als Vorbote kürzerer Tage entgegenweht, schlägt die Melancholie, meine janusköpfige Begleiterin, mit voller Breitseite zu. Vieles, denke ich so bei mir, schon längst vorüber, die rauschendsten Feste gefeiert, allzu wenig noch übrig von den einmaligen Erlebnissen, die eine (späte) Jugend so bietet. Inzwischen nämlich nahezu alle Jungfernfahrten erlebt und abgehakt: leidenschaftliche Lieben, (nächtliche) Exzesse, Tiefpunkte, Krisen, Bildungsabschlüsse, Berufstätigkeit, Familiengründung: alles bereits zum ersten Mal (meist zur Genüge) getan und gehörig Pulver dabei verschossen. Permanente Abwechslung, Haltlosigkeit, ebenso das Gefühl, stets auf dem Sprung zu sein, nun täglichen Routinen gewichen, die alles auch dann noch funktionsfähig zusammenhalten, wenn es innen drin heftig zu wanken beginnt und der alte Schlund sich öffnet.</div>
<div style="text-align: justify;">
Auch die tägliche Gewissheit eines allmählichen Verfalls des Äußeren beim spitzfindigen Blick in den Spiegel momentan eher schwer zu ertragen. Besonders beim Gedanken, den Zenit der eigenen Attraktivität – wie überhaupt: den Höhepunkt des Erlebbaren – schon überschritten zu haben und mich gefragt, was neben der passionierten Ausübung eines Berufs jenseits des 30. Lebensjahres an deren Stelle treten könnte. Der Genuss am mit den Jahren sicher größer werdenden finanziellen Spielraum in Hinblick auf den Verlust der Spontaneität und Intensität der früheren Jahre hingegen schon immer ein eher schwacher Trost. Dabei eine immer tiefer wuchernde Zornesfalte zwischen den Augenbrauen neu entdeckt und seitdem immer wieder verflucht und inbrünstig hassen gelernt, dieses Kainsmahl mimischer Ausschweifung.</div>
<div style="text-align: justify;">
Demgegenüber wird das aufkeimende Hadern mit dem Lauf der Dinge einzig durch die hinzugewonnene Solidität des eigenen Standpunkts mit ihrer Unangewiesenheit auf allerhand Vorgelebtes, an dem man sich zu orientieren hätte, durch eine wachsende Souveränität durchkreuzt, an die noch in den kürzlich verabschiedeten Zwanzigern nicht zu denken war. Im gleichen Atemzug die Fähigkeit angeeignet, die gefühlt immer schneller davonlaufende Lebenszeit – das möbiusbandartige intellektuelle Kaprizieren auf diese unabwendbaren Tatsachen davon einmal ausgenommen – schätzen zu lernen, und Nebensächlichkeiten und Animositäten angesichts der Kostbarkeit der Tage darin insgesamt weniger Stellenwert einzuräumen. Stets mutig sein und würdig altern, müsste man, plätschern die Gedanken so vor sich hin, während ich, das Gesicht dem Fahrtwind ausgesetzt, den Kragen noch etwas höher schlage, denn heute morgen liegt bereits ein erster Hauch von herannahendem Winter in der Luft.</div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-49486438241419683402014-08-15T12:49:00.001+02:002014-08-15T12:49:44.273+02:00Nonum prematur in annum (ma querelle des Anciens et des Moderne)<div style="text-align: justify;">
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--></style>Die Sinne zu stimulieren und zu sensibilisieren für die Erhabenheit der antiken Literatur, eine ästhetische Differenzerfahrung spürbar zu machen, auch dies Kerngeschäft des altsprachlichen Unterrichts. Und mal ehrlich, wie viele Welten liegen zwischen der geschmeidigen Eleganz eines Ciceros oder eines Vergilianischen Einbruches der Nacht – nox ruit et fuscis tellurem amplectitur alis (unsauber: Nacht stürzt herein und umfasst die Erde mit ihren dunklen Schwingen) – und den zahlreichen Belanglosigkeiten, die von der gegenwärtigen Literatur, zumal ohne Kenntnis, ohne (souveränes) Beherrschen eines Handwerkes, einer Technik, eines Stils, aufgefahren werden (besonders gruselt mich die Digital-Bohémiens-produzieren-große-Literatur-Sparte). Die in ihrer Beiläufigkeit, während sie sich nebenbei noch schnell eine Wurstbemme geschmiert hat und nun pausbäckig-schmatzend vor sich hin fabuliert, eines Gespürs für die Höhe des Gegenstandes oder seiner sprachlichen Vermittlung ermangelt. Nur am Rande zuständig fühlt sie sich für die Erbauung, gar Erhöhung, ihres Lesers (na gut: Kalauerei und Klamauk mal ausgenommen!), nicht dem minutiösen Dokumentieren, der Konfrontation mit dem Unerhörten, des Zelebrierens der Existenz noch einem wie auch immer gearteten (ästhetischen) Programm sich verpflichtet.</div>
<div style="text-align: justify;">
</div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-23142114129638601962014-08-12T14:44:00.001+02:002014-08-12T14:44:39.431+02:00Hebt die Gläser auf John Keating!<i>O Captain my Captain! our fearful trip is done;</i> <i>The ship has weather’d every rack, the prize we sought is won;</i> <i>The port is near, the bells I hear, the people all exulting,</i> <i>While follow eyes the steady keel, the vessel grim and daring:</i><br />
<dl><dd><i>But O heart! heart! heart!</i></dd><dd><i>O the bleeding drops of red,</i></dd><dd><i>Where on the deck my Captain lies,</i></dd><dd><i>Fallen cold and dead.<br />
</i></dd></dl>
<i>O Captain! my Captain! rise up and hear the bells;</i> <i>Rise up—for you the flag is flung—for you the bugle trills;</i> <i>For you bouquets and ribbon’d wreaths—for you the shores a-crowding;</i> <i>For you they call, the swaying mass, their eager faces turning;</i><br />
<dl><dd><i>Here Captain! dear father!</i></dd><dd><i>This arm beneath your head;</i></dd><dd><i>It is some dream that on the deck,</i>
<dl><dd><i>You’ve fallen cold and dead.<br />
</i></dd></dl>
</dd></dl>
<i>My Captain does not answer, his lips are pale and still;</i> <i>My father does not feel my arm, he has no pulse nor will;</i> <i>The ship is anchor’d safe and sound, its voyage closed and done;</i> <i>From fearful trip, the victor ship, comes in with object won;</i><br />
<dl><dd><i>Exult, O shores, and ring, O bells!</i></dd><dd><i>But I, with mournful tread,</i></dd><dd><i>Walk the deck my Captain lies,</i>
<dl><dd><i>Fallen cold and dead.</i></dd><dd><i> </i></dd><dd style="text-align: right;"><i>Walt Whitman </i></dd></dl>
</dd></dl>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-8755761634203224124.post-90627824956728675232014-08-11T19:03:00.000+02:002014-08-12T14:28:08.318+02:00Unter der Oberfläche<div style="text-align: justify;">
Neulich saßen der M., ein treuer Begleiter aus meinem ersten akademischen Leben, und ich in einer lauen Sommernacht auf seinem kleinen, aber minder feinen Balkon mit Blick auf die Yorckstraße. Das letzte Sonnenlicht über der Stadt fast verglommen, die Nacht zwischen den verwischten Hufschlägen von Phoebus' Feuerrössern beinahe eingebrochen am Horizont, sprach er, orchestriert von dem dramatischen Leuchten, so luzide und bewegend über eine unglückliche Liebe, dass mir ein Bild ganz besonders in Erinnerung blieb. Sie, jene Geliebte, hätte für ihn vor allem deswegen eine derart begehrenswerte Ausstrahlung gehabt, der er unverzüglich verfallen war und die ihn schließlich um den Verstand brachte, weil ihre gesamte Erscheinung eine Emotionalität durchscheinnen ließ, die nur unter einer hauchdünnen Oberfläche verborgen lag. Dann – und in meiner Vorstellung – unvermeidlich auf ihn übergriff, ihn in Brand setzte, auflodern und verbrennen ließ...Das fand ich auf eine ziemlich verwegene Art und angestachelt von diesem Sommernachtsrausch, der vom Berliner Asphalt in die Lüfte dampft, dann doch ziemlich romantisch.</div>
Miss Digresshttp://www.blogger.com/profile/02010227115982527476noreply@blogger.com