28. März 2011

Hinauf

Der Wanderer im Gebirge zu sich selber. — Es giebt sichere Anzeichen dafür, dass du vorwärts und höher hinauf gekommen bist: es ist jetzt freier und aussichtsreicher um dich als vordem, die Luft weht dich kühler, aber auch milder an, — du hast ja die Thorheit verlernt, Milde und Wärme zu verwechseln —, dein Gang ist lebhafter und fester geworden, Muth und Besonnenheit sind zusammen gewachsen: — aus allen diesen Gründen wird dein Weg jetzt einsamer sein dürfen und jedenfalls gefährlicher sein als dein früherer, wenn auch gewiss nicht in dem Maasse, als Die glauben, welche dich Wanderer vom dunstigen Thale aus auf dem Gebirge schreiten sehen.

Endlich, Urlaub!

27. März 2011

"Selig sind die, die mit ihren Nächsten die Bürde des Lebens tragen."

so Nobody im Italo-Western Il mio nome è Nessuno. Als größste Freundin des Genres schlägt mein Herz anlässlich des 3Sat-24h-Sonderprogramm Wilde Western Purzelbäume. Ich schwing mich dann mit Cowboystiefeln und Revolver bewaffnet mal in den heimischen Saloon.

26. März 2011

Mein obelixer Sturz in den Zaubertrank

Nach 200 Brotserwerbs- und Schöngeisteleifinanzierungsstunden, die ich neben der Dichtung der vorletztern Strophen meines Studienabschlussliedes diesen Monat hinter mich gebracht habe, waren die letzten Kraftreserven aufgebraucht. Alle Akkus endgültig leer, dachte ich als ich nach einem gewohnt langen Tag gestern die Haustür hinter mir schloss. Doch weit gefehlt. Auf dem Weg zur Bar nach einer kurzen Entspannungsrast daheim hatte ich meinem treuen Begleiter M. noch mein geballtes Leid geklagt, Hasstiraden hinsichtlich aller Abendverpflichtungen dargeboten, schlichtweg gequengelt wie ein kleines Kind. Kaum hatten wir die Bar betreten, waren die Freunde in Sicht, war ich verwandelt wie immer, kehrte alle Energie allmählich in Kopf, Glieder und Sinne zurück. Das Feuer loderte noch bis halb sechs und als es schon hell draußen geworden war, fiel ich müde und abgetanzt heimgekehrt, überglücklich in mein Bett.

20. März 2011

Amseln zählen

Der Frühling bringt mich in Bewegung - gedanklich und körperlich. Im Vorübergehen glitzert die Welt wie von feinstem Feenstaub bepudert: Überall Regung, Rascheln, Flüstern. Überall um mich herum ein fragiles Glitzern: Pulverisierte Welt aus tausenden Partikeln Zauberstaub errichtet. Es scheint fast so, als könnte ich mich wieder ein Stück greifen. Von Dir allein gelassen und doch immer begleitet. Deine Ferne mit jedem weiteren Schritt zu spüren und dennoch jetzt sicher zu sein, dass Dein Name und Dein Gesicht, Deine Worte und Deine Wärme mir so tief unter die Haut gingen, dass ich bis an mein eigenes Ende gezeichnet bin. All dies unzweifelbar.
Und wenn beim Laufen durch den Park die Amseln ihr verheißungsvolles Lied im Unterholz anstimmen, wenn M. sich nachts wie ein Katzenjunges an mich schmiegt, wenn ich mich, mit Kopfhörern in den Ohren und ganz in meine Welt versunken, schließlich daran erinnere, wie Deine Stimme bei manchen Liedern geklungen hat damals, dann weiß ich Dich in diesen kleinen Momenten des Glücks immer bei mir. Dann weiß ich, dass keine Minute hier umsonst gewesen ist.

18. März 2011

Vom Gesetz des Vitalen

Als gäbe es in meinem Kopf einen Kausalzusammenhang zwischen der Form sich zu gebärden und dem Grad der Vitaliät einer Person. Schon als Kind konnte ich diese ganz Stillen, Schüchternen und Ängstlichen nie ganz ernst nehmen. Ihre Art, sich vor Autoritäten zu verstecken, sich im schlimmsten Fall devot vor ihnen zu beugen. Das betraf vor allem ihre weitentwickelten Strategien, sich bei Referaten aus der Affäre zu ziehen, bei Parties glotzend und begutachtend, aber nahezu immer schweigend in der Ecke zu sitzen. Später, ihr ungeheurer Mut vom Prof. vor 60 Kommilitonen wiederholt dazu aufgefordert zu werden, endlich lauter zu sprechen, ist mir bis heute ein dunkles Rätsel geblieben. Manchmal paart sich diese ihre Rehkitzhaftigkeit mit gesundheitlicher Schwäche, minderer Entscheidungsfähigkeit und Hypersensibilität. Manchmal kommen diese Mädchenhaften mir vor wie kleine Veilchen am Wegesrand, die wie Silesius sagt blühen, weil sie blühen. Auch die Langsamen, die oft ebenso von zurückhaltender Natur sind, bieten mir offene Fragen. Ihre Bequemlichkeit, die sie ständig dazu veranlasst fernzusehen, lieber auf Taxi/Auto/Bahn zu setzen, statt zu laufen oder Fahrrad zu fahren, ihr Hang zum Fressen und Saufen, ihre intellektuelle Derbheit, ihr Bedürfnis, dass man nicht so schnell läuft, weniger schnell spricht und vor allem leiser. Wie sie im Schwimmbad darauf bedacht sind, mich wenigstens einmal einzuholen, nach vollbrachter Anstrengung aber erstmal am Beckenrand ausruhen, während ich ohne Pause weiterschwimme. Die Langsamen sind oft weder körperlich noch intellektuell wendig, sie schwimmen in den Fahrrinnen des Populären dahin. Gedanklich etwas wagen, das ist ihnen nichts, das spielt in ihrem Leben keine Rolle. Manchmal, wenn einer von ihnen, seine gedanklichen Gänge vor mir entwicklelt, dann ertappe ich mich dabei, wie ich beständig mit den Händen kurbele, in der Hoffnung er würde schneller sprechen oder endlich zum Punkt kommen. Mit einem Gefühl überkommender Ungeduld falle ich ihnen schließlich ins Wort, beende den Gedanken und übernehme die Sprecherrolle. Alles dies also: Diese aus meiner Perspektive in ihrer Vitalität irgendwie Gehemmten und Degenerierten bleiben mir zeitlebens unverständlich. Jene Vorstellung, wenngleich gedanklich verworrenen, demgemäß Aktivität als der Ausdruck und Gradmesser eines Lebens verstanden wird, verleitet mich beständig dazu, mir die immer gleiche Frage zu stellen: Wie (viel) Leben, wenn diese sich lieber verstecken oder ausruhen möchten?

17. März 2011

Falte

im Trockenen angekommen und inzwischen mit Tee versorgt, Papierhüte, weil bisher keine Ratsuchenden den Weg zu mir finden und denke darüber nach, während Herr G. hier mit Perücke vor meiner Nase herumtänzelt, wie gut mir doch eine Allonge barock-leibnizscher Provenienz stehen würde. Bin höchst angetan von dieser Vorstellung.

Winter, verpiss Dich, Du Spast!

Ich bins wirklich leid, echt. Kälte, Feuchte, Gräue, ihr KOTZT mich an! Aber sowas von! Den Leuten in der Bahn kann man inzwischen ansehen wie dünn ihnen die Haut schon geworden ist. Abgeschliffen von winterlicher Mühsal. Von Dunkelheit, Wind und Schnee. Wie Esspapier, das ich als Kind so mochte, sieht die meinige beim Blick in den Spiegel morgens aus. Irgendwie fragil, durchscheinend und anämisch.

16. März 2011

Nerven wie von Seidenraupen gemacht

Nervenstärke, Impulsivität und Kraft bieten den festen Unterbau meines Tugendkatalogs. Als aber gestern bei der Rückfahrt erneut starker Regen einsetzt und ich das Fahrrad mühsam durch die Pfützen nach vorne peitsche, derweil unachtsame Brummi- und Taxifahrer mir die durch ihr beherztes Gasgeben aufgewirbelten Fontänen Straßenschmutz nur so ins Gesicht rauschen lassen, und gerade weil diese Situation wie bei Täglich grüßt das Murmeltier sich ganz genau mit dem am Morgen bereits Durchlittenen deckt, schießen mir spätestens auf der von Berufsverkehr geradezu verstopften Leipziger Straße die Wuttränen in die Augen und ich schluchze und zittere hoch zu Drahtross am ganzen geschundenen Leib , fahre dennoch weiter. Wirklich lang her, dass mich dieses Gefühl zuletzt überkam, denke ich später zu Hause, nachdem ich durchnässte Kleidung und Schuhe endlich losgeworden bin.