5. August 2012

Alles nach Plan

Die Nachricht ist inzwischen in alle Lebensbereiche, Freundes- und Familienkreise gesickert und schon lange halten sich die Anflüge von Panik (bis auf den anstehenden Geburtsakt) in Grenzen. Der weihnachtliche Geburtstermin ist inzwischen ebenso verdaut wie die Angst vorm Fett- und vor allem Unsportlichwerden. Keine der angedrohten Szenarien bewahrheitet sich: Keine Wassereinlagerungen, keine Fettpolster, stattdessen immer wieder von außen an mich herangetragene Verwunderung: "Was bitte? Ende fünfter Monat soll das sein? Willst Du mich verarschen, so sieht mein Bauch nicht mal unschwanger aus". Selbst die Aufschläge und Hetzjagden beim Speedminton noch keine größere Hürde, wenig Kurzatmigkeit, Joggen funktioniert ausgezeichnet, Schwimmen sowieso. Manchen Rennradfahrer muss ich trotz innerer Widerstände zwar ziehen lassen, aber die schwerfälligen Prenzl'-Bergerinnen stecke ich locker noch in die Tasche. Dass mir nie schlecht war und jegliche Nahrung weiterhin schmeckt, ein Geschenk des gnädigen Gottes in der besten aller möglichen Umstandswelten. Überhaupt, durch die regelmäßigen Spaziergänge durch den Kiez im Angesicht der vielen Väter mit kreisrundem Haarausfall und ältlicher Mütter (by the way: Ob unsere Mamas wohl für die Mutter unseres Kindes gehalten werden, sobald sie den Wagen alleine durch die Straßen schieben, wenn es dann soweit ist? Diese Frage amüsiert M. und mich nachhaltig und seit Wochen), die die besten Zeiten bereits hinter sich haben, bestätigt, steht eines immer deutlicher vor Augen: 29 scheint ein gutes Alter, nicht nur in Bezug auf Rückbildung, berufliche Flexibilität und zu erwartendem, gemeinsamen Zeithorizont mit dem Kinde, sondern vor allem, weil wir kraft unseres Alters (zu Zeiten meiner Eltern wären wir schräg beäugte Spätgebärende gewesen) vielleicht die Klippen der nervigsten Debatten, die sich um allerhand Materielles drehen (Eigentumswohnung hier im Kiez, Erbschaft, Familienkutsche, Ehevertrag, Lebensversicherung und der ganze Kram, der uns nicht allzu viel bedeutet), galant umschiffen könnten, da man uns als Gesprächspartner schlichtweg nicht auf eigener Augenhöhe wahrnimmt, hoffentlich!
Der Facharzt für Pränataldiagnostik dann sichtlich amüsiert über unser Auftreten. Drei Spätgebärende wären vor uns im Sprechzimmer gewesen, weit über vierzig, etwas verkrampft, auf jeden Fall mit hypochondrischen Tendenzen. Niemand Anfang dreißig, geschweige denn in den Zwanzigern, manchmal eine ganze Woche lang! Einfach deprimierend sei dies, diese immergleichen Pärchen mit den immergleichen Fragen. Das Panorama des Wartezimmers bestätigt die Aussage: Zwischen fleißigen Verwaltungsbeamten und Unternehmesberatern, Juristen und Wirtschaftsprüfern in schlecht sitzenden, aber mit Verlaub teuren Anzügen, schwitzend und mit Bauchansatz neben ihren früh ergrauten etwas aus der Form gegangenen Partnerinnen in Stefanel, Strenesse und Feinstrumpf M. und ich. Er in knielangen Cargos und Punk-Shirt, ich im gepunkteten Sommermini mit Keilwedges. Beide sommerlich ungekämmt, mit Mückenstichen an den Beinen und zwischen schlechter, aber großformatiger Kunst herrlich deplaziert. So wird einem zumindest nicht langweilig in dem ganzen Schwangerschaftskosmos mit seinen eisernen Regeln, seiner Deutungshermetik, seinen Vorschriften, Vorsichtsmaßnahmen und dem ganzen Schabernack, so bleibt immer noch ein wenig Lästerwertes übrig, denke ich mir und kaufe mir im Späti eine Club Mate, dieses Koffein-Teufelszeug, das weisen Müttern zufolge (wie Haarefärben, Kaffee und zuviel Sport und Stress natürlich)  Fehl- wenigstens aber Frühgeburten auslösen soll. Das Kind schlägt in meinen Bauch ausgelassene Purzelbäume und freut sich.