8. März 2012

Über Hypochondrie oder die Abgründe der Selbstbeobachtung

In der Nacht von Montag zu Dienstag dieser Traum. Am Alexanderplatz (oder sonstwo) auf dem Weg von Bahnsteig zu Bahnsteig verliere ich auf der Treppe unerwartet das Gleichgewicht, überschlage mich in der Luft und falle der Länge nach mit dem Gesicht auf die untersten Stufen. Paralysiert spucke ich blutig die letzten zerschmetterten Zähne oder das, was von ihnen übrig blieb. Infolge des Sturzes initiationsartig doch ohne innere Kausalität durchzieht den apathischen Dämmerschlaf eine Variation des gleichen Themas: Ich entgleite mir, verliere die Erinnerung, werde in Gedanken ausgelöscht oder lösche mich selbst. Dann innere Erregung, fast Panik als ich imaginierte Gesichter plötzlich nicht mehr erkenne, alles jemals Gewusste mir seltsam entgleitet und dennoch jemand anwesend ist, der dies zu Protokoll gibt. Seltsamer Streich, denke ich beim Aufwachen und den ganzen Tag über begleitet mich die Angst um das Vergessen. Fünf Wikipedia-Artikel, zwei Paper in Science und ein MMSE, Uhrentest und DemTec mit höchsten anzunehmenden Ergebnissen später finde ich ohne Enge in der Brust ins Alltagsleben zurück. Der Gedanke kriecht nur dann ins umnebelte Bewusstsein zurück, wenn mir besonders entlegene Namen, Daten oder Begriffe drittklassiger oder nebensächlicher Personen, Ereignisse und aus theoretischen Auseiandersetzungen nicht blitzschnell zu Händen sind. Dann kurz aufscheinend die Angst vor dem Selbstverlust, Verlust auch des Kompasses, der stets eisern genordet war: ein untrügliches, bis an den Rand gefülltes, blitzschnelles Gedächtnis
Neben M. an der Spree stehen, während das brackige Wasser, inzwischen gänzlich enteist, diese ersten warmen Strahlen auf die blasse Haut zurückwirft, lässt hingegen beide Teile innerer Aufruhr, den protokollierend-prüfenden und den sich hartnäckig entwindenden Teil, kurzzeitig stumpf und unsichtbar werden.