2012 war atemberaubend, ungemein schnelllebig und in jeglicher Richtung weichenstellend. Nachdem mich 2009 niederriss, ich 2010 verzweifelt und ohne Halt vor mich hin delirierte und ich erst Mitte 2011 ersten Boden unter den Füßen spürte, veränderte 2012 schlagartig mein Leben.
Als ich im Frühling und nach durchzechter Nacht erfuhr, dass ich schwanger bin, lag alles noch in derart weiter Ferne, dass ich mir den Wandel nur schwerlich vorstellen konnte. Im September gaben M. und ich uns das Ja-Wort. Die Fotos verraten erst bei genauestem Hinschauen, dass wir zu diesem Zeitpunkt schon zu dritt sind (auch wenn alle Anwesenden es längst wissen). Am vorweihnachtlichen Sonntag wird unsere Tochter geboren, während meine Eltern die letzte Kerze des Adventskranzes anzünden. Als der M. meinen Vater anruft, spielt das Radio gerade Christmas lights von Coldplay. In Berlin bedeckt eine zarte Schneedecke die Dächer des Campus Charité.
Alles läuft seltsam unkompliziert, beinahe unaufgeregt. Ganz anders als ich es von meinem Leben gewohnt bin. Die gesamte Schwangerschaft nur ein anderer Zustand von mir: Ich, in gewohnter Mobilität, und ein kleiner Bauch, in dem mein Kind freudig strampelt. Ich bin jeden Tag viel auf den Beinen, ständig in Bewegung, besuche Konzerte, Lesungen, Theater, fahre bis zum ersten (Tief-)schnee auf meinem Herrenrad durch die Gegend. Noch einen Tag vor der Entbindung schwimme ich 3000m im Stadtbad Mitte in einer passablen Zeit. Ich nehme 10 kg zu, die ich kurz nach der Geburt schon wieder los bin (Victoria Secrets darf sich melden!), deswegen esse ich wie ein Mähdrescher, damit die Energie für uns beide reicht. Ich erkenne hin und herschwankend mal M., mal meinen Vater, mal meine Mom, meinen Opa, mal mich in dem Kind und hoffe, dass sie grüne Augen bekommt frage mich, welche Augenfarbe sie wohl haben wird. Nach einer kurzen, schnellen, aber schmerzhaften Geburt ohne den Einsatz nennenswerter Seditiva - die Zeit reicht nicht - ist es Liebe auf den ersten Blick. Nachts liege ich da und bestaune im Zwielicht der Station das kleine Wesen neben mir. Immer wieder stehe ich in den Tagen danach fassungslos und wie dort angewurzelt an ihrem kleinen Bettchen, um zu schauen, jede kleinste Regung zu betrachten. Ein schlafloser Seismograph bin ich und von einer eigenartig pergamentartigen Haut, durch die man ohne Hindernis ins Innere hindurchblickt. Alles ist anders jetzt, einfach alles. Als hätte meine Welt sich ohne mein Zutun einen neuen Sinn erschlossen, weiß ich das erste Mal seit langem, dass ich ganz fest zu jemandem gehöre, der mir alles bedeutet.
Ich bin versucht zu sagen: es ist das Beste, dieses 2012, was mir je passieren konnte.
Ich bin versucht zu sagen: es ist das Beste, dieses 2012, was mir je passieren konnte.