19. Oktober 2013

529

Schicksalsjahr. Synchronität von Ereignissen. Nach über 900 Jahren ihres Bestehens schließt die Platonische Akademie in Athen. Zeitgleich gründet San Benedetto di Norcia ein Kloster auf dem Monte Cassino. Zeitenwende — Übergang von Spätantike zum Frühmittelalter.
Ein Sog zieht mich. Mehr wissen, mehr lesen, mehr Zusammenhänge. Zurückhalten muss ich mich. Mir unaufhörlich zurufen: "Ruhig bleiben! Contenance!" Bevor das Wissen mit mir durchgeht, die drängende Neugier zurückpfeifen, ihr Einhalt gebieten mit einer gehörigen Portion epikureischer ἀταραξία. Die größte Herausforderung, das wird von Tag zu Tag klarer: das Aufrechthalten von Empathie und Geduld. Die Nachrangigkeit all dieser bewegenden Dinge außerhalb jener für die Beschäftigung mit ihnen vorgesehener Zeiträume. Schließlich immer zu wenig Zeit, weil ein kleiner Mensch unserer vollen Aufmerksamkeit bedarf. Ziemlich kraftzehrend könnte das werden, diese geistige Diätetik das aus Gründen eines effektiven Zeitmanagment beständige Fahren mit angezogener Handbremse aus Furcht vor dem Flächenbrand.

17. Oktober 2013

Anstelle eines Nachrufes

Eine enthusiastische Meldung für die Übernahme des "Tschick"-Referats im Januar in der ersten Sitzung des Didaktik-Seminars. Vielleicht meine Art einer posthumen Ehrerbietung. Auf diese Weise einer subversiven Kraft der Sprache zu huldigen.

16. Oktober 2013

Richtig

Hier bin ich richtig, einen Magisterabschluss, ein ganzes Leben später. Auf eine seltsame Weise aufgehoben mein unstillbarer Wissensdurst. Die Nadel in einem Haufen passionierter Eigenbrötler. Der Lehrkörper vorrangig männlich, ältliche Junggesellen in schweren Tweed-Jackets. Randständige Existenzen. Inselbegabte mit heimischen Kuriositätenkabinetten, ihren Rückzugsorten. Immer ein wenig neben der Spur in Ton, Geste, Ausdruck. Überhaupt neben sich. An der Peripherie alltäglicher Zwischenmenschlichkeiten stehend — ach, was sage ich? — Oberflächlichkeiten! Doch ganz und gar ihrer Sache verschrieben. Von brillianter Scharfsinnigkeit und mit einer wahnwitzigen Klugheit, einem urwüchsigen Humor ausgestattet, wenngleich äußerlich stets etwas derangiert. In den altphilologischen Seminaren glühen meine Wangen heiß vor Begeisterung. Innerlich klatsche ich unentwegt in die Hände und kann mein Glück kaum fassen. Hier bin ich richtig: Zwischen Tacitus und Caesar, Marc Aurel, Seneca und Ovid. Augustinus.

15. Oktober 2013

sunrise 12/24/81 - sunset 10/29/09

Don't think of me as gone away
my journey's just begun,
life holds so many facets
this earth is only one.

Just think of me as resting
from the sorrows and the tears
in a place of warmth and comfort
where there are no days and years.

Think how I must be wishing
that you could know today
how nothing but your sadness
can really pass away.

And think of me as living
in the hearts of those I touched...
for nothing loved is ever lost
and F. was loved so much.


Diese kleinen Erinnerungen an Dich. Ein Lesezeichen, das mir heute Morgen in die Hände fiel. Darauf Dein Foto, der Tag Deiner Geburt und der Deines Todes. Überbleibsel eines Abschiedes, das unter dem verwüstendem Schmerz, dem nie gekannten, nahezu in Vergessenheit geraten war. Schon bald vier Jahre her, dass ich aus der Zeit gefallen bin. So begleitest Du mich auf Schritt und Tritt. Und auch, wenn es ein wenig makaber scheint, zwischen die Seiten altsprachlicher Kompendien, Repetitorien und Lexika geklemmt, hätte es Dir auf (D)eine eigentümliche, verschmitzte Art irgendwie gefallen, da bin ich ganz sicher. Nachdem Du starbst damals, habe ich die Uni lange nicht mehr betreten. Nun studiere ich wieder dort, wo wir noch kurz vorher umringt von Herbstlaub zwischen zwei Seminaren auf einer Bank saßen und scherzten. Ein großer Regentropfen an Deiner Nasenspitze und schwarzer Kaffee in Pappbechern, dies eines der letzten Bilder von Dir. Von uns. Dann lange dunkel. Heute in der Bahn kurz geweint; seit langem. Über die vier Jahre, vor allem aber über diese wunderbare Tochter, die Du nicht mehr kennenlernen konntest. Welcher, wann immer ich ihr von Dir erzählen werde, als Referenz nur ein paar Fotos geblieben sind, die sie mit Dir verbinden wird. Doch noch immer: Alles Bewegtbild, alles lebendig in mir. No days, no years.

11. Oktober 2013

Seelenverwandtschaft

Er liebt Old-School-Rap, aber eben auch gebrochene Rocker wie The Smiths und Joy Division, erfuhr seine »lyrische Sozialisation« (O-Ton Griffey) durch die Texte von Blumfeld oder Tocotronic. Noch heute kann er sich ausdauernd für Bruce Springsteen begeistern, hört aber auch den Düster-Pop von The XX oder den Falsett-Folk von Bon Iver – wenn er nicht gerade nach gutem Rap von Kollegen fahndet.  (ZEIT ONLINE 28/2011)
Und während Berlin langsam in der Herbstdunkelheit versinkt, dreht die neue Platte Endlosschleifen, dabei Endlos-Erinnerugen an eine kurze Kindheit im ostdeutschen waste land, bevor meine Eltern flohen. Und Eliot, immer wieder Eliot und Springsteen.