Ende März 2009. Dies mein Schicksaljahr. Wie sich die Dinge schon ein halbes Jahr später wenden. Die Katastrophe, in die wir stürzen werden. Nichts davon ist an diesem Punkt meines Lebens absehbar. Alles unbeschwert und heil; so raunt die Sprache der Fotos, die mir seit langer Zeit heute wieder in die Hände gefallen sind. Das, die heutige, vielleicht etwas verklärte Sicht auf die Dinge.
26.3.2009: Wir, das sind der Meister - den ich 2008 eines späten Winternachmittages im morbiden Hauptgebäude der Technischen Universität auf einer Steintreppe, auf der wir unerlaubterweise nach den Seminaren regelmäßig rauchten, auflas, so begann unsere Freundschaft - M. und ich, stehen im Colosseum, den Audioguide am Ohr. Die Sonne scheint schon kräftig hier. Der Frühling ist längst angekommen in der ewigen Stadt. Als der Flieger in Berlin abhob, versank dort alles noch im Einheitsgrau eines langen Winters.
Im Seitenprofil entdecke ich sie dann ganz deutlich, meine heißgeliebte Sonnenbrille, die der Meister im Nachgang, da hatte der M. sich am Petersplatz in einem Moment der Unaufmerksamkeit, zudem leicht vom Weine benebelt, schon darauf gesetzt und daraufhin war ein Glas aus dem Gestell herausgebrochen, nicht ohne ein bißchen Ironie, wie es so seine Art ist, Frau Strick getauft hatte. Nach jener durchgeknallten älteren Dame aus seinen Zivildiensttagen in der Psychatrie, die nicht nur pausenlos herumphantasierte und ihre verworrenen Narrationen zum Besten gab, sondern augenscheinlich ähnliche Modelle präferierte. Ihre im Gegensatz zu meiner damaligen Flohmarktentdeckung wahrscheinlich eher hornbrillenartig und hochwertig. Die nächtlichen Fotos zeigen uns kurz nach dem Vorfall lächelnd und weintrinkend vor der Petersbasilika. Ich, die lädierte Frau Strick auf der Nase, einglasig, dennoch in die Kamera feixend. Seit diesem Tag nun, dem Tag der zerstörten Brille, bin ich unentwegt auf der Suche nach einer neuen Frau Strick, die der alten annähernd das Wasser reichen könnte und scheitere mit diesem Anliegen Sommer um Sommer. Immer wieder sehe ich mich nach ihr um, besser: nach einer, die ihr auch nur ein bißchen ähnelte, und immer wieder kaufe ich Brillen. Ob auf dem Flohmarkt, bei Mango oder online, ich werde immer wieder enttäuscht. Nie, nie, nie war auch nur eine dabei, die nur halb so hinreißend ist wie sie es war. Ob ich sie wohl jemals finden werde, jene Schöne, die ich so lange schon begehre?