22. Mai 2011

Semipermeable Wände

Unzählige Tage in dumpfer Intensität zugebracht, die sich in aufwühlenden Nachtträumen zuspitzt. Manchmal unsicher, ob sich nicht schon erste Zeichen von Wahnsinn an mir ausmachen lassen. Überhaupt dort drinnen endlose Verwirrung, pausenlos rastlose Überlegungen, die beim gedanklichen Zugriff sofort wieder zerfallen. Körperliche Unruhe gesellt sich dazu, unruhige Hände, die sich beständig rückversichern, ob es all das auch wirklich gibt, das Außen, die tasten und verloren in der Luft wedeln, die greifen wollen und sich bewegen. Hartnäckige Rückzugsphantasien, während das Lesepensum exponentiell in die Höhe schießt. Dennoch realisiertes Flüchten vor die Tür. Verlangsamt und merkwürdig entschleunigt als das. Beim Radfahren durch die ersten milden Nächte: Studenten auf dem blanken Bordstein vor der Weinerei sitzend, Schulter an Schulter, lachend aneinander angelehnt. Überall ein Flüstern und Raunen, Duft von längst schon verblühenden Kastanienblüten und bereits ein Hauch von Herbst in all dem. Und dann plötzlich spontane Ergriffenheit heute morgen im Morgenlicht auf dem Alex oder allabendlich auf dem Weg heimwärts. Stimmenfragmente aus den Cafés, die unwiderstehlich säuselnd an mein Ohr gelangen und die ich doch vorbeifahrend immer nur Sekunden mit mir trage, die dann schließlich abfallen von mir. So als betrifft mich immer nur ein Teil von dem allem, trifft nur ein kleiner Ausschnitt meinen Wahrnehmungshorizont und durchstößt die Wand der inneren Erfahrungswelt. Selten so deutlich gespürt, das. Diese eigene Opazität. Seltsam in diesem Zusammenhang wie vieles wortlos und unbedacht von mir abfällt, wie gleichzeitig weniges mich derart tief trifft, dass ich vergesse Luft zu holen.