24. Oktober 2012

Der Blick von außen


Wie die Wahrnehmung der 27-jährigen Litauerin Alge, diese kleine Irriation bei der Konfrontation mit der als "deutsch" erlebten Daseinsform, ganz wunderbar mit meiner eigenen Empfindung zur Deckung kommt, gerade dann, wenn ich mir meine sportelnden Mitmenschen (ganz gleich ob schwimmend, bergwandernd, joggend, fahrradfahrend) lebendig vor Augen rufe. Und ob die auf dem Sektor der Freizeitgestaltung grassierende Spezialisierung, die gleichermaßen auch unser Verwaltungswesen mit seinen operativen Behörden erfasst, in struktureller Korrelation mit dem Abbau und der Verflachung anderer Gebiete, der Ausdünnung des umfangreichen Katalogs humanistischer Bildung etwa, stehen könnte, darüber sollte ich in einem weniger kulturpessimistischen Augenblick mal etwas systematischer nachdenken. Dann etwa, wenn die Gefahr, den Adornitisch-Horkheimerschen Platitüden argumentativ vorschnell auf den Leim zu gehen, vielleicht weniger groß wäre als heute. Vorerst aber bleibt mir nichts anderes übrig als unreflektiert zu meinem Punksein zu stehen.

9. Oktober 2012

Dillon

Während draußen die Stadt in die kühle Oktobernacht stürzt, vereint drinnen im Saal eine Stimme Singularitäten zu einer schweigenden, gebannt lauschenden Einheit. Verschmelzen Individuen zu einer rezeptiven Masse. Eine Stunde lang ist alles aufgelöst in Klang, Bass, Licht und im Nebel, bevor die Zuhörer auf dem Vorplatz der Volksbühne in die Berliner Dunkelheit auseinandersprengen — Tip tapping / I was tip tapping / tip tapping / in the dark.

8. Oktober 2012

Maieutik

Daß man, wenn es einem im Wahrheit gelingen soll, einen Menschen an einen bestimmten Ort zu führen, vor allen Dingen darauf achten muß, ihn dort zu finden, wo er ist, und allda zu beginnen hat.
Kierkegaard, 1859

...und vielleicht zeichnen sich darüberhinaus - und vor dem Hintergrund sich überstürzender Ereignisse der Frage und Entscheidung neu überantwortet, welchen Weg die nächsten Jahre beschreiten - immer stärkere Konturen einer Fiktion ab, wie ich mich ausgehend von dem Glauben an eine wirkliche Berufung jenseits geisteswissenschaftlicher Sklavendienste (Lektorat, PR, Redaktion und Presse, Projektarbeit in Medien und Kultur im weitesten Sinne) beruflich entwickeln könnte. Erst halb ausgegoren und doch ganz erhebend die Vorstellung, es könnte dort einen Platz geben, der mir vorbehalten ist und von dem aus mein Wunsch nach Vermittlung von nicht bloß faktischen Sinngehalten und (existentiell verstandener) Betroffenheit wirken kann.

7. Oktober 2012

Individuation

Der September stand im Zeichen der Veränderung wie überhaupt das ganze Jahr mir einen Kosmos vor die Füße geschmettert hat, in dem ich beginne mich langsam und staunend zu orientieren. Der ganze Monat überdies randvoll mit Gedanken und Gefühlen. Einige tiefgreifender und größer als ich je angenommen hätte, dachte ich in Momenten, in denen ich die Stille zurückhatte und das übliche Maß an Handlungssouveränität. 
Das Ineinandergreifen widerstrebener Momente, das Zusammenwachsen zu einer familiären Einheit, und dies nicht nur im rechtlichen Sinne, und gleichzeitig die Teilnahme an der Geschichte einer Individuation, die bisher ausschließlich auf sinnlicher Wahrnehmung fußt, sich durch Tritte und Schläge bemerkbar macht und doch mehr ist. Wie die Verinnerlichung eines Inneren, das sich, zwar ganz umfangen von mir, diesem gedanklichen Selbst doch beständig entzieht. Dieses in mir, das ganz individuell ist und bereits geschieden von all dem, was ich bin und doch momentan (noch) ich ist. All das, dieses Auseinanderdriften von dem, was ich und was Du genannt wird, vollzieht sich im Unsichtbaren und versetzt mich immer wieder in derartiges Staunen, dass ich kurz innehalte, das es mich trifft, rührt und mich beglückt zur gleichen Zeit. Und diese Tatsache: Dass Du als feste Instanz inzwischen existierst in den Gesprächen über die Zukunft, vielleicht auch, weil Du seit Monaten schon einen Namen trägst, und alle Gedanken dann doch ganz verschwommen und verworren um das kreisen, was und wie Du sein wirst. Die Spannung steigt mit jedem Tag; zwei Monate noch...