21. Oktober 2011

Καιρός

Endlich bezwungen von Dir, oh Kairos, bin ich! Und habe, von Deinem Schopfe, den ich gerade noch rechtzeitig ergriff, - zwei Sitzungen hatte ich schon verpasst - mitgerissen, nun endlich dasjenige begonnen, was ich mir seit Jahren vorgenommen habe und zu dem ich nie kam. Seit ich meinen Namen in die Teilnehmerliste eintrug - die Gesichter zwar nicht unwesentlich jünger als meins, einige eindeutig älter, mancher weißhaarig, meine Matrikelnummer jedoch die viertälteste auf der Liste - ist es amtlich: Ich lerne endlich Altgriechisch und zwar zwischen durch Studienordnungen der Altertumswissenschaften und Klassischen Philologien dazu Verpflichteten und einer Handvoll Gasthöher. In raschem Tempo geht es voran, werden Deklinationen und erste Konjugationen abgeprüft, Akzente und Betonungen korrigiert, vorsokratische Lehrsätze vorgetragen und übersetzt. Schnell ist die Sitzung vorbei, das Lernpensum groß, die Studierenden vom Stoff gar erschlagen. 
Ganz freiwillig fertige ich zuhause Karteikarten mit neuestem Vokabular an und übe mich im Vortrag der mir noch so unvertrauten Sprache. Eine neue, wieder mal freiwillig auserwählte, intellektuelle Herausforderung, dabei hatte ich geglaubt, alles was zu wissen sei, hätte ich längst abgeschöpft, denke ich mir, während ich jene neuartigen Buchstaben in konzentrierter Schreibschrift mit verkrampften Fingern zwischen die Hilflinien in einem Schreibheft für Erstklässler mit kleinen Verzögerungen zu Papier bringe.