7. August 2011

Reisen






Während Regenlandschaft draußen vorbeizieht, die im Laufe der langen Zugstunden irgendwann von imposanten Kumulusformationen abgelöst wird, lerne ich, die mich sonderbar verwirrenden Satanischen Verse im Schoß, das Lesen immer wieder unterbrechend, Nietzsches Wanderer auswendig aufzusagen. Anlässlich eines selbstauferlegten Projektes, mir bis zum Ende des Jahres wieder ein einer Geisteswissenschaftlerin halbwegs angemessenes lyrisches Repertoire raufzuschaffen, werde ich das gute Dutzend dann zu Silvester hoffentlich jukeboxartig abspielen können.
Zwischendurch, in den Konzentrations- und Lesepausen, derweil Hot Chip süffisant in mein Ohr plärrt und Landschaft undefiniert vorbeischwebt, steht es mal wieder hell und klar vor Augen - ein fast schon Cartesianisches clara et distrincta -, die beständige Affirmation des Ichs durch rigide selbstdisziplinatorische Praxis in Bewegung gehalten, all das selbstverständlich stets gemischt mit ein wenig Sadomasochismus.

Und immer wieder diese Erinnerungsfragmente an die zu Beginn des Jahres gelesenen Reisejournale Willemsens. Heimgekehrt, dann normal nachgeschlagen und die betreffende Stelle gleich gefunden:
In der Nacht schwoll mein Knie so weit an, dass ich am nächsten Tag das Zimmer nicht verlassen konnte und an den folgenden Tagen auch nicht [...]. Die meiste Zeit lernte ich Gedichte auswendig oder blickte an die Decke [...]. Reisen, so kam es mir in diesem Moment vor, das war wie die Projektion der Heimat auf fremde Tapete. Dort findet man das Haus, das man verlässt und auslöscht, fühlt die Verankerung, die man vergessen machen wollte.