3. September 2011

Beyond facebook

Bisher lief die Kommunikation zwischen mir und den vielen Menschen in meinem Leben immer reibungslos. Ich besitze ein Mobiltelefon aus der Belle Époque (kein Smartphone), eine private und vier dienstliche Mailadressen und ein Festnetztelefon, auf dem man mich zwar nienienie erreicht, auf dem aber ein Band alle Beteuerungen und Rügen artig aufnimmt und für den späteren Konsum bereitstellt. Auch ohne facebook glückten Kontaktaufnahmen, Einladungen und kurze Grüße bisher. Zugegeben, manchmal musste der Adressant in Hinblick auf meine facebook-Totalverweigerung minimalen Mehraufwand betreiben, musste den Mail-Client öffnen, meine Adresse eintippen und einen kurzen Text erzeugen bzw. per Strg+C-Strg+V aus dem Gesichterverzeichnis transferieren. Das klappte ohne größere Reibungen. Zwar wurde die Namensfülle des Adressfeldes (sofern nicht BCC) in jenen Mails über die Monate und Jahre immer stärker dezimiert, da alle Skeptiker freilich aus pragmatischen Erwägungen (Kontakte schnell und einfach halten, besonders aus dem Ausland und man kann alles auch anonym stellen, blablabla) inzwischen in den Antlitzverein übergetreten waren, ich, jene von den kostbarsten Plapper-Strömen Abgeschnittene, erhielt ohne viel Federlesens dennoch immer Kunde, welche Events unbedingt anzusteuern waren und welches Paar heiratete oder Kinder bekam. Manchmal per Mail, oft jedoch durch einen Anruf oder eine SMS. Das Leben der übrigen Klassenkameraden, langweiligen Kollegen oder einstigen Affären interessiert mich ehrlich gesagt nicht, ich will mich mit diesen weder vernetzen, noch austauschen, weder auf deren Hochzeiten erscheinen, weil sie keine anderen Freunde haben, noch mit ihnen 30 werden. Das ist mir irgendwie zu doof. Mit den geliebten Mitstreitern in meinem Leben gestaltet sich die regelmäßige, aber wirklich interessierte Kontaktaufnahme eh schon schwierig genug. Und wie mein Leben beweist, hatten mehr als 15 Freunde (nicht Bekannte) gleichzeitig nie wirklich Platz darin. Auch bei dieser übersichtlichen Zahl fühlte sich immer schon einer unter ihnen zu kurz gekommen und forderte Aufmerksamkeiten ein, die ich nicht bereit war zusätzlich aufzubringen. Alles darüber, bei dem Pensum an Sport, Akademie und Broterwerb, eine Entäußerung von Kräften, reine Selbstausbeutung und dies alles bei meinem dringenden Bedürfnis in den Atempausen auch mal den schweren Gedanken nachzuhängen, ohne dass ständig einer stört.
Doch gestern abend schlichen sich kleinste Zweifel in das holde Abstinenzlerglück als ein guter und alter Freund von M. und mir seinen Geburtstag im Kreuzbergischen begoss und wir abends durch die anwesenden, freilich vernetzten Freunde unseres Fehlens gescholten, erst Wind von der Sache bekamen, die uns facebook vorenthielt. Da weder M. noch ich dieses Opfer der Anmeldung zum Zwecke künftiger Vernetzung unverzüglich auf sich nehmen wollten und weil uns die Arbeitswoche dermaßen gefickt hatte (Berliner Idiom), nahmen wir rentnergleich vorlieb mit Süßem und Bett.