Über Nacht scheint klamm und heimlich der Herbst durch alle Ritzen gekrochen zu sein. Die Dielen unter den nackten Füßen fühlen sich kälter an als noch gestern. Ein Tuch um den Hals geschlungen und innerlich noch ein wenig zitternd steht der frsich gebrühte Pfefferminztee beim Schreiben aufgeschoebner Mails in meiner Reichweite. Und wieder einmal steht es mir vor Augen, der stille Startschuss ist gefallen. Wie jedes Jahr beginnt nun erneut die Zeit konzentrierter Arbeit, der letzten Schritte zum akademischen Titel, endet die Agilität, das sommerliche Aufbegehren, die Zerstreutheit. Dass ich das letzte halbe Jahr eigens dazu genutzt habe, dem Begehren des Leibes nach Herumtollen auf Rasenflächen zugunsten eines harten Broterwerbs zu opfern, sichert mir nun das Überleben - bei üppigem Leben vier Monate, bei karger Lebensform mindestens ein halbes Jahr. Und all dies theoretisch, ohne einen Finger zu rühren, auf eiserne Reserven zurückzugreifen oder gar ein Bankdarlehen in Anspruch zu nehmen. Dass es eine solche Zeit in meinem Studium je gegeben hat, in der ich weniger als 20 Stunden - meistens 30, zuletzt mindestens 40 - in der Woche gearbeitet hätte, dafür finde ich keine Anhaltspunkte in meiner Erinnerung. Dass ich daher lassen könnte, nebenbei noch etwas gegen Bezahlung zu tun, kann ich mir jetzt noch schwierig vorstellen. Dennoch habe ich alle Aufträge ab November strategisch ausgeschlagen, ermahne mich beim Blick in die Jobbörse des Career Service und tröste mich mit lockenderen Vorstellungen: Ich werde wieder bis die Nächte über Berlin hereinbrechen in Bibliotheken sitzen und all die ebenso lang studierenden Kommilitonen wiedertreffen, die ich im letzten Jahr so sehr vermisst habe, ich werde gleich zwei Squash-Kurse buchen, mich auf den Staffelmarathon auf dem Tempfelhofer Flugfeld vorbereiten, ich werde wieder mehr lesen, zwei hoffentlich drei Bücher die Woche und postmodern verstiegene Essayistik dazwischen. Ich werde mir einen lang gehegten Wunsch erfüllen und endlich Altgriechisch an der Universität lernen, bald darauf die Sophistes im Original lesen können und das Beste daran: Ich werde nur dann arbeiten müssen, wenn das Verlangen nach teurem Luxus es wirklich von mit verlangen sollte und dann selbst mit einem Minijob meine Bedürfnisse stillen können. Mit kindlicher Vorfreude warte ich nun nur noch auf die ersten bunten Blätter.