23. Januar 2012

Only substitutions

Mit dem Vorsatz nur flüchtig in Theresas Blog herüberzulinsen gerate ich angesichts der schönen Arragements von (bilingualem) Text, Bild und Illustration mal wieder in blogosphärentypisches Verweilen. Dabei von nebenan betrachten zu können, welche Pläne die jeweils andere inspirativ leiten. 
Von der vereinnahmenden Ästhetik des Schlussmachens schlagartig getroffen als ich bei den Bildern und erläuternden Texten des Eintrages Bookbinding: my dissertation angekommen bin, fühlt es sich kurz wie ein Stich ins Herz an, bevor ich wieder normal atmen kann - wenn das mit der momentanen Schnupfnase überhaupt möglich ist. Nicht nur befreiend also, sondern auch noch originell und so stilvoll kann das sein, Dinge endlich abzuschließen. Ich hingegen zerpflücke in Gewaltexzessen gerade wieder mein nun neun Ausgaben umfassendes Machwerk, finde allerorts aneinandergereihte Spitzfindigkeiten poststruktuaralistischer Provenienz, Schachtelsätze, die alle Sonderzeichen in sich aufnehmen wollen und derer nicht satt werden, umschweifige, dafür nichtssagende Satzgirladen, Worthülsen, wo man auch hinsieht. Eine einzige Hyperästhetisierung, eine theoretische Spielerei allenfalls, aber weit und breit keine universelle Sinnhaftigkeit, an die ich mich in der Nachfolge von Foucault, Deleuze und Kittler dennoch klammere wie ein flennendes Kind. Und, quelle surprise: eine bedenkenswerte Konsumbilanz im Januar mit etwas mehr als 350€ für Kleidung (bei der Vorgeschichte für mich freilich alarmierende Zahlen), die mein Taschenrechner da ausspuckt. Wie man doch beständig hinter sich zurückfällt. Noch immer also nicht für ungültig erklärt: das Verhältnis, bei dem Unzufriedenheit, Trauer, Wut und Angst streng und unmittelbar mit Konsum korreliert.

22. Januar 2012

Soulmate

...dazu besingt Perry O'Parson, dieser wunderschöne Mann, über den Dächern von Dublin eingängig und in epischen Wendungen das Leben - eine Nacht könnte indes schöner kaum sein.
 

21. Januar 2012

Enthusiasmiert

Mit der innerlichen Aufregung eines Kindes in der Vorweihnachtszeit, zudem auch ein bißchen verwirrt durch allerhand bunte Bilder, surfe ich seit beinahe drei Stunden und über beide Ohren euphorisiert in der Welt von kleiderkreisel.de und kann mein Glück über das, was es hier alles zu sehen, tauschen und zu ganz kleinen Preisen zu kaufen gibt, kaum fassen. Wahrlich, ein Vintage-Himmel, der locker mit Mauerpark-und Simon-Dach-Flohmarkt mithalten kann, diese preislich jedoch meilenweit unterbietet. Für einen violetten Schlauchschal mit Polka Dots und Troddeln habe ich soeben für 2€ den Zuschlag erhalten. Einfach großartig!

17. Januar 2012

Vorboten

Keine, wirklich keine einzige der mir auf der Torstraße entgegen kommenden Frauen meines Alters und ohne Kinderwagen, stelle ich entsetzt fest, hat annähernd so dicke trainierte Beine wie ich. Neben diesen grazilen Elfen, deren kranichhafte Stelzen auf zehn Zentimeter Absatz über das holprige Kopfsteinpflaster nur so dahinschweben, fühle ich mich in meinen flachen Westernstiefeln und einem schnell auf dem Handy errechnetem BMI von 20 (65:1,8²) wie eine weißrussische Kugelstoßerin zwischen Schwanensee probenden Ballerinen des Bolschoi. Ja, die gute alte Fashion Week lässt mich ernsthaft zweifeln, ob es sie hier tatsächlich noch gibt, jene Normalgewichtigen oder vielleicht sogar ein paar Dicke hinter den Fassaden und in den Hinterhöfen von Mitte.

16. Januar 2012

Vom Alkoholgenusse und seinen Folgen

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, wann immer ich in der Vergangenheit zu tief ins Fläschchen geschaut habe, erhielt ich am nächsten Tag oft eine bittere Quittung. Nein, in der Regel konsumiere ich nicht (übermäßig) viel Alkohol. In den eigenen vier Wänden trinken M. und ich nämlich eigentlich nie. Zumeist haben wir nur dann einen guten Roten zuhause, wenn wir Freunde zum gemeinsamen Essen laden. Ansonsten kein Bier, kein Likör, kein Sekt weit und breit.
Mein Alkoholkonsum spielt sich daher fast ausschließlich draußen ab, inzwischen selten in der Woche, meist freitags oder sonnabends in irgendeiner Berliner Bar oder in einem Club. 
Ich weiß daher nicht, ob es am zunehmenden Alter, vielmehr dem allmählichen Abbau der körpereigenen Regenerationsfähigkeit liegt, dass ich die am Vorabend und in der Nacht flüssig zu mir genommenen Genussmittel schlechter vertrage und der schwindelige Organismus dies wesentlich, so scheint es jedenfalls, langsamer abbauen kann - und das obwohl ich zu später Stunde jetzt, in der Hoffnung auf ein mildes Erwachen, immer große Gläser Wasser dazwischen schiebe. Mittlerweile fällt das Aufstehen, zu weit früherer Stunde als noch vor fünf Jahren, im ersten Moment zwar leichter, die Kopfschmerzen und die allgemeine Mattigkeit halten aber meist noch bis zum Mittag des Folgetags an und machen einen weiteren berauschten Abend nahezu unmöglich. Von dem milchigem Blick und der fahlen Gesichtsfarbe ganz zu schweigen. Und überhaupt, während ich mir beim morgendlichen Blick in den Spiegel gänzlich zerfurcht, fleckig, aufgedunsen, unzureichend durchblutet und verlebt entgegenblicke, sitzt meine liebste Freundin C. mit ihrem fast makellosen Porzellanteint ohne den Einsatz von Kosmetika (mit Deckkraft) beim Frühstück neben mir und ich staune jedesmal. In der Regel liegt sie erfahrungsgemäß noch eine Stunde später im Bett als ich. Erstaunlich denke ich mir und irgendwie auch ein bißchen ungerecht, ihre jugendliche Frische mit etwas verlaufener Mascara vom Vorabend, während mir, neben ihr auf dem Beifahrersitz, die Ereignisse der Nacht kaum deutlicher ins Gesicht geschrieben stehen könnten. Ich jedenfalls muss nun mindestens zehn Stunden schlafen bis ich mir den größten Teil meiner Endzwanziger-Jugendlichkeit zurückerkämpft habe.


9. Januar 2012

Über die nahezu universelle Geschmacklosigkeit von Sportbekleidung

Die in mir lodernde Abneigung gegen Winterbekleidung einschlägiger Marken (Jack Wolfskin, The North Face und Vaude) - wie sie gerade in meinem Heimatbezirk in Berlin allerorts getragen wird -  ist all jenen, die mich (lange) kennen, altbekannt. Warum jene Bekleidungssünden derart verabscheuungswürdig sind, darüber hat die folgende Stilkritik unter dem vielversprechenden und zustimmungswürdigen Titel Outdoorkleidung gehört nicht in die Innenstadt im Berliner Tagesspiegel bereits alles gesagt, was ich ebenfalls vorbringen würde:  Dem ist absolut nichts hinzuzufügen!
Seien Sie daher versichert, was neben Outdoorkleidung die rechte Klamotte beim Sport betrifft, so würde ich wirklich nie-, nie-, niemals in pellwurstartige Tights gepresst meine wöchentlichen Läufe absolvieren, ganz egal mit welcher penetranten Begeisterung sportive Freunde und Bekannte ihre Praktikabilität (bequem, pflegeleicht, atmungsaktiv) anpreisen - und das obwohl ich jede Woche in aller Regelmäßigkeit mindestens 3x5km, oft etwas mehr, hinter mich bringe. Selbiges gilt im Übrigen für meine Fahrradfahrten zur Arbeit (einfache Fahrt: ca. 16 km). Diese widerlichen Radlerhosen und dazu abgestimmten Funktionsjacken im Polyester-Neon-Chic, wahrlich eine Beleidigung für jedes halbwegs an ästhetischen Maßstäben orientierte Empfinden. Glauben Sie mir, keine zehn Pferde würden mich indes in jene einteiligen Swim-Suits mit Ringerrücken befördern können, in denen sogar zierliche 1,60m-Damen mit 40 Kilogramm Lebendgewicht wie kleine Seekühe aussehen. Von ihren Schwimmbrillen ganz zu schweigen, zumal die meisten unter ihnen in aller Regel weder richtig kraulen noch beherzt brustschwimmen können, derart zappelig, kurzatmig und affektiert nämlich, als gingen diese jungen Welpeninnen gleich unter. 
Widerlich, ganz und gar abscheulich, die gestalterischen Auswüchse von Sportbekleidung. Außer bei Yoga, Aerobic (in meinen Augen quasi fast Nicht-Sportarten) und Tanz (mit voller Anerkennung!) vielleicht, welche ich selbst nicht betreibe/nie betrieben habe.
Warum, frage ich mich daher immer wieder, ist das Sportgerät zwar nach für mich nachvollziehbaren Prinzipien gefertigt - meine Rackets für Squash und Badminton beim genaueren Hinsehen durch und durch gestaltet, mit (spiel-)spezifischen Eigenschaften ausgestattet in Hinblick auf Geschwindigkeit, Gewicht, Funktion und Führung - und Sportkleidung dagegen in der Regel ästhetisch derart schmachvoll anzusehen: Kleine, teure synthetische Würdelosigkeiten, die sich meist einer reißenden Nachfrage erfreuen.
Meine Totalverweigerung daher: Ich laufe und squashe meist in alten ausgewaschenen Konzertshirts oder Tops aus Baumwolle, die nicht nach der dritten Wäsche schon so sehr nach Schweiß riechen wie die vergleichsweise teure Garderobe von M.: Nike, Asics, Adidas und Co. - alles in Neon und mit Rennstreifen selbstverständlich. Ich schwimme meine schnellen Runden übrigens immer im Bikini und kann keine Geschwindigkeitseinbußen gegenüber den Mitschwimmern feststellen. Ach, so ist das mit den Versprechen der Industrie: Höher, schneller, weiter, aber den Augen darum leider nicht erträglicher.

5. Januar 2012

Halt auf freier Strecke

Ein konfrontativer, liebevoller, großartiger Film. Und erneut die aufflammende Hoffnung, Wolfgang Herrndorf könnte jener Zwangläufigkeit der Krankheit andauernd von der Schippe springen und einen weiteren Jugendroman schreiben.

Vom Gejagtwerden

Ja, ich bin ein halbwegs politischer Mensch. Ich engagiere mich in einer Partei, verfolge die aktuellen Diskurse, Debatten, Sachargumentationen (wenn vorhanden) und kann eine Handvoll Regionalpolitiker aufzählen. Ich kenne die Senatoren Berlins, viele der gewählten Abgeordneten, ihre Zuständigkeiten und die Ausschüsse, Gremien, Verwaltungen, für und in denen sie tätig sind. Ich besorge mir/konsumiere Informationen eher auf klassisch-konservativen Weg (habe keine Anarcho-Antikapitalista-Transgender-Queer-Feeds abonniert). Ich lese den Politikteil der Süddeutschen, des Tagesspiegels, der taz (manchmal mit Ärgernis über soviel Mit-dem-Fuß-Aufgestampfe und zu wenig Sachlichkeit) und der ZEIT oft zuerst, außer ein interessanterer Artikel aus dem Ressort Wissen oder Feuilleton macht diesem Automatismus einen schönen, geistreichen Strich durch die Rechnung. Ich sehe sehr wenig fern und wenn einmal, dann am liebsten 3Sat wegen der schönen Bergsteigerdokumentationen, manchmal arte und ARD (für den sonntäglichen Tatort). Doch die inzwischen auch dort eingestreuten, mir täglich zugemuteten Diskussionen um Kredit und Urlaub, Diekmann-Bedrohung und Sühnertum werden allmählich unzumutbar. Und obwohl ich nie CDU gewählt habe, mein ganzes Leben nie daran denken würde, dies zu tun, Joachim Gauk im Hinblick auf seine Vergangenheit als Bürgerrechtler in der DDR und auch was seine Geisteshaltung angeht, für mich der weitaus geeignetere Kandidat für das Bundespräsidialamt gewesen wäre, finde ich die momentane Hetz- und Hasskampagne von Medien und Politik - qua Selbstverständnis zu selbsternannten Kontrolleuren des politischen Prozesses auserkoren, freilich - einfach nur widerlich. Verabscheuenswürdig jene Destruktion, Entwürdigung und Verachtung von Amt und Person und für mich ganz und gar unangemessen, hier beständig die Kategorien von Privatheit und Öffentlichkeit durcheinanderzuwirbeln. Wundert sich denn im Ernst keiner über diese maßlose Überspitzung der Vorfälle oder halte nur ich das zu günstigen Konditionen kreditfinazierte Eigenheim für eine Lapalie wie sie in den entsprechenden gesellschaftlichen Kreisen gang und gäbe, also als geschäftliches Muster fest etabliert ist. Warum fühlt sich mein Gerechtigkeitsbewusstsein angesichts der erhobenen Vorwürfe gegen Wulff nicht um einen Hauch erschüttert? Warum erwarte ich weder Rücktritt noch sehe ich Anlass zu Sühne, Selbstgeißelung oder gar publikumswirksamer Kreuzigung?
Ich kann mir nicht helfen, all das Vorgebrachte, die Vorwürfe, die Hetze, die Anklagen, das Strickmuster der Kampagne ruft Erinnerungen an meinen Deutschunterricht in der zehnten Klasse wach. Damals lasen wir gerade Die verlorene Ehre der Katharina Blum von Böll. Ein Buch, das mich derart betroffen zurückließ, dass ich meinen gesamten Hass, die gefühlte Verzweiflung, ausgelöst durch die in der Erzählung von Presse und Öffentlichkeit an den Tag gelegte Menschenverachtung, nur durch bittere Kraftanstrengung herunter schlucken konnte. Der Film gab mir in dieser Hinsicht schließlich den Rest.
Und dieser umstrittene Anruf bei Kai Diekmann, ich bitte Sie! Hätte dieser die Liste meiner 67 Gläubiger, die Männer, mit denen ich schlief, eine Liste meiner Freunde, bei denen ich je übernachten habe, ohne mich finanziell dafür erkenntlich zu zeigen, veröffentlichen wollen, hätte ich es nicht dabei bewenden lassen, ihn auf seinem Band nicht nur infamer Lügen zu zeihen, vielmehr hätte ich  ihm im Springer-Haus vor sein Büro gekackt. Einen richtig stinkenden Dreckshaufen hätte ich dagelassen. Aber das Scheißen ähm die  Defäkation in der Öffentlichkeit, das steht einem bald scheidenden (?) Bundespräsidenten freilich nicht zu.

2. Januar 2012

Das Jahrestagsgeschenk


Da mein Geschmack schon immer etwas eigentümlich war, stand kaum zu erwarten, dass M. anlässlich der fünf hinter uns gebrachten Jahre plante, mich mit einem Standardgeschenk (Parfüm, Schmuck, Dessous oder gar Blumen) abzuspeisen. Und obwohl er, mein Schatz, wie das Kinderlied sagt, kein Jägermeister ist, nenne ich von nun an ein restauriertes Geweih, freilich bei Ebay ersteigert, mein eigen: Die perfekte Jägerinnenklause.

1. Januar 2012

Horseshoe

Das neue Jahr schenkt mir eine prächtige Brandwunde unterm Augenlid auf dem linken Wangenknochen. Sie hat die exakte Form eines Hufeisens. Tja, Glück und Unglück liegen nach landläufiger Überzeugung nah beieinander und es war ja schließlich nicht das Auge wie die Freunde zu beschwichtigen versuchen. Um halb sechs, vom Alkohol ganz und gar berauscht, spinne ich Legenden um schlagende Verbindungen und linksautonome Schwesterschaften, deren Mitglied ich bin und die sich statt Schmiss Pyrowunden ins Gesicht ätzen. Dann gehen die Lichter endgültig aus. Der graue Morgen empfängt uns mit Brandenburger Landregen und dennoch zaubert das Neujahrsmahl im Tageslicht beschaut das ein oder andere Lächeln in die von der Nacht gezeichneten Gesichter. Auf der Fahrt nach Hause erinnere ich mich daran, dass ich früher erst dann, wenn der Februar eines neuen Jahres begonnen hatte, fähig war, die richtige Jahreszahl auf meine Schularbeitsblätter zu schreiben. Zeiten waren das...