7. August 2014

Selbstbetrachtungen: Über das Durchatmen

Von meinen Mitmenschen immer wieder mit der gleichen umsorgenden Geste bedacht: Kaum steige ich etwas verschwitzt vom Fahrrad, bin ich schnellen Schrittes irgendwo angelangt, auf den letzten Metern mit der schweren Tasche voll Cicero, Vergil, dem Burkhard/Schauer und dem alten Menge vielleicht auch etwas gesprintet, falls die Zeit mir davonlief, konfrontiert mit der Bitte, doch erst einmal Platz zu nehmen und etwas durchzuatmen. Nie verstanden, dieses gezwungene Einhaltgebieten der Kräfte. In meiner Vorstellung ganz und gar unnötig, als bedurften Geist und Körper eingehender Schonung, nur weil sie ein wenig in (sowieso) gewohnter Bewegung waren. Ohne Verzögerung könnte es indes, und wenn es nach mir ginge, weitergehen. Schon immer zu lebendig für das: Hinsetzen und zur Ruhe kommen, um nach Minuten des verschnaufenden Schweigens bedächtig ein paar unbedeutende Sätze aus dem Ärmel zu schütteln. Mein Wesen, dieser überbordende Zug meines Charakters, beizeiten der Mitwelt sicher etwas grotesk anmutend, bisweilen ein strapaziöses Unterfangen für zurückhaltend oder gar gemütliche Geister, macht mir da schon immer irgendwie einen Strich durch die Rechnung. Dieses permanente Dauerfeuer an Worten, Gesten und Bewegung nicht umsonst wurde mir schon in den ersten Semestern des ersten Studiums, wie ich erst Jahre später und eher etwas zufällig erfuhr, der Beiname Maschinengewehr zu eigen, der hinter meinem Rücken kursierte, aber, wie man mir beteuerte, äußerst liebevoll mir zugedacht war —vielleicht der Grund für die Bitte: Dem Gegenüber die Möglichkeit einzuräumen, etwas durchzuatmen im Angesicht dieser wuchtbrummenhaften Dauerpräsenz. Im Bezug auf mein künftiges Studienratsdasein immerhin bedenkenswert. Gemeinschaftliche Übereinkunft der Kommilitionen im Rahmen eines erziehungswissenschaftlichen Coachings: "das könnte aus Sicht des Schülers gerade in der ersten Stunde montags oder in der achten in Latein ziemlich anstrengend werden, sein Dasein im kontinuierlichen Standby zu fristen, um jederzeit ansprechbar zu sein." Immerhin keine Befürchtungen, nicht in den hinterletzten Winkel des Raumes zu reichen, bis hierin auszustrahlen mit mentaler und leiblicher Agilität. Jetzt nur noch irgendwie lernen, dem Gegenüber mehr Verschnaufspausen zu gönnen: ganz oben auf der Agenda!