1. Februar 2012

Ach, Jänner...

Der zweite Teil des Januars bescherte mir einen nahezu kolossalen grippalen Infekt, der mich seit eineinhalb Wochen psychophysisch lahmlegt. Es war der dritte seiner Art infolge weniger Monate und rechnet man den Fahrradunfall auf der Torstraße im Dezember zur Ausfallsbilanz hinzu, so kommt man nicht umhin anzuerkennen, dass ich im letzten halben Jahr mehr krank oder beeinträchtigt war als gesund und vor allen Dingen häufiger out of order als irgendwann sonst in meinem Leben. Und obwohl das allerschönste Winterwetter mit einer klaren, eisigen Sonne zum Laufen in den Park lockt, bleibe ich diesmal, mit Hoffnung auf nachhaltige Besserung standhaft, wo ich die letzten Male doch längst schon wieder in den Laufschuhen gesteckt hätte. Länger als eine Woche keine vernüftige Bewegung, das grenzt schon fast an Höllenqual und führt mir beständig vor Augen wie schnell auch mein Körper - literally- an Form verliert. Nein, kein Sport im Moment - leider! Stattdessen strampele ich nachts im eigenen Schweiß badend unter der Bettdecke und murmele, von zusammenhangslosen Bilderketten angetrieben, wirres Zeug vor mich hin, kämme mir morgens kurz das in der Nacht wellig geschlagene Haar und laufe eine Runde wie paralysisert durch den Volkspark. Einmal trinke ich zu verstopfter Nase auch sechs Vodka, ayurvedischen Tee und zwei Becks und gewinne unverhofft das Kreml-Match, liege danach erst gegen vier Uhr etwas desorientiert im Bett. Zwei Tage darauf nach der Inszenierung des Gastspiels Also sprach Zarathustra im Gorki, meinem heimlichen Wohnzimmer, vergesse ich bei reichlich Rotwein fast meinen Namen, formuliere, von dieser ganzen Nietzsche-Maschinerie subtil angepiekst, unterirdische Sätze mit unkonventionell flektierten Verben und spreche sprachliche Rätsel wie die Delphische Pythia. Die Nacht und der darauffolgende Morgen bescheren mir die altbekannten Ängste um den Gesundheitszustand meines Mentalen, allzu sehr verworren das Ganze oder doch erste Zeichen neurodegenerativer Erkrankung. Am Montag habe ich dann ein erträgliches Maß der Ruhe zurück; Placeboeffekt: es gebe ja im Fall der Fälle schließlich auch noch dignitas. Ansonsten sind diese letzten Wochen randvoll von Max Frisch und Lichtenberg, von Max Prosa, Leonard Cohen, William Fitzsimmons und den Sternen, die ich Jahre nicht gehört, aber stimmlich immer noch auswendig begleiten kann. Ja, endlich ganz gesund wieder werden, das wäre was! Andererseits ist jene Zeitlosigkeit des Denkens und jeder Bewegung nicht ausschließlich beunruhigend (produktiv schafft man eben viel zu wenig), sondern an diesen Tage mit ihren abgezählten lichten Stunden manchmal überaus erfüllend. Überdies sind auf den lange Zeit unterbrochenen Wegen Menschen zu mir zurückgekehrt, die ich sehr lange Zeit sehr schmerzlich vermisst habe, jedoch vorher sehr, sehr lange brüsk weggeschoben habe.